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Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici

Titel: Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Administrator
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Zeugnis ich am meisten Wert lege – und auf den Ihr mich in Eurem Schreiben förmlich hingewiesen habt.«
    »Ich verstehe nicht. Wer sollte das sein? Antonio Pratini?«
    Er schüttelte den Kopf. Ich verstand plötzlich. »Beatrice.«
    »So ist es.«
    Ich war einigermaßen fassungslos. »Was hat sie über mich gesagt?«
    »Nur drei Worte. Sie liebt Euch.« Sein Gesicht blieb bei seinen Worten völlig unbewegt. Aus seinen Augen konnte er seine Gefühlsaufwallung nicht verbannen. »Ich nehme an, Ihr wisst, was ich selbst für sie empfinde.«
    »Und dennoch habt Ihr…?«
    »Dennoch? Gerade deswegen.«
    »Das beschämt mich«, erklärte ich. »Hat sie Euch mitgeteilt, wie meine Gefühle für sie sind?«
    »Ja. Ich weiß nicht, ob es mir Leid tun oder mich erleichtern soll. Dass Ihr es ihr gesagt habt, gereicht Euch zur Ehre.«
    »Ich war nur ehrlich. Sie hat nichts weniger verdient.«
    »Ihr hättet sie benutzen können, um mit Eurem Anliegen schneller an mich heranzukommen. Es hat noch keine Gelegenheit gegeben, in der ich nicht auf ihr Urteil gehört hätte.«
    Ich starrte ihn an. Irgendwo im Hintergrund meines Gehirns hörte ich jemanden irre kichern. »Wenn Ihr die Wahrheit wissen wollt«, stieß ich hervor, »ich habe nicht im Traum an diese Möglichkeit gedacht.«
    Lorenzo nickte, dann entschuldigte er sich und eilte einem Mann hinterher, der ihm von einer anderen Tür aus zugewinkt hatte. Ich schritt durch den Innenhof, um in den kleinen Garten zu gelangen; schon nach wenigen Schritten tauchte ein Bewaffneter hinter einer der Säulen auf, die die Arkaden trugen, und beobachtete mich aus einer Entfernung, die es ihm leicht gemacht hätte, mich mit seinem Spieß zu treffen, wenn ich etwa zu fliehen versucht hätte. Lorenzo de’ Medici mochte so höflich sein wie der gnädigste Fürst, aber wir waren immer noch Gefangene, und unsere Unschuld zu beweisen war eine Aufgabe, die ich noch nicht gelöst hatte. Der Wächter hinderte mich nicht daran, in den Garten zu gehen. Der Himmel darüber war von einem hellen Blau überzogen, das an einer Seite bereits einen goldgelben Schimmer aufwies. Der Garten lag in rauchblauen Schatten und verströmte die Hitze, die er während des Tages eingefangen hatte, langsam in den Abendhimmel. Aus einem der oberen Fenster drang das laute Weinen eines kleinen Kindes. Giulianos Erbe konnte noch nicht auf der Welt sein. Ich drehte mich um und sah Lorenzo de’ Medici, der neben einer seiner Statuen stand und mich beobachtete. Er richtete den Blick zu dem Fenster, aus dem das Weinen drang.
    »Contessina«, sagte er fast zärtlich. »Meine jüngste Tochter. Sie ist gerade sechs Wochen alt. Donna Clarices Besuch bei Giulianos Bahre gestern war der erste öffentliche Auftritt meiner Gemahlin nach der Geburt. Die Kleine ist sehr zart, eine Elfe eher denn ein Menschenkind. Giuliano hätte seine Freude mit ihr gehabt. Doch sie wird ihren Onkel niemals sehen. Und er nicht mehr seine jüngste Nichte und nicht sein eigenes Kind.« Er senkte die Augenbrauen, und sein Gesicht verschloss sich wieder. »Folgt mir, ich möchte Euch etwas zeigen.«
    »Wo bleiben Eure Leute mit Stepan Tredittore?«, fragte ich beunruhigt. Er reagierte nicht darauf, sondern winkte mich durch eine kleine Tür in einen Keller hinunter. Es schien sich um einen leer stehenden Lagerraum zu handeln, der dunkel, kalt und trocken war. Ich kannte den Mann, der neben dem Soldaten mit der Fackel stand und Lorenzo erwartungsvoll entgegensah: Es war der eine der beiden Begleiter von Battista Frescobaldi, der uns mitten unter der Befragung verlassen hatte. Ich hatte das Gefühl, dass ich den Mann, der auf einem Brett auf dem Boden lag und dessen neue Schuhe unter einem Laken hervorsahen, ebenfalls kannte. Der Soldat mit der Fackel bückte sich und zog das Laken weg, und das tote Gesicht meines ungeschickten Verfolgers blickte an die niedrige Kellerdecke.
    Er hatte ziemlich viel geblutet. Jetzt war kein Blut mehr vorhanden oder die Reste erstarrt. Er hatte eine blassgelbe Haut, in der die Narben in seinen Wangen wie bläuliche Knoten wirkten. Unterhalb seines Kinns war etwas wie ein zweiter, mit Blut verbackener Mund. In der geruchslosen Kellerluft strömte er einen Hauch von Schlachthof aus. Er trug weder seine Lederschürze noch sein Wams oder den hohen Hut. Er trug seine neuen Schuhe. Sie sahen an ihm als Totem nicht passender aus als an ihm als Lebendem. Außer dem Schnitt durch die Kehle wies er keine Verletzungen auf. Er hatte seinen

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