Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
tun soll.«
Kleinschmidt beugte sich nach vorn und legte mir zögernd eine Hand auf die Schulter. »Verlasst die Stadt«, sagte er sanft. »Das Unglück ist schon groß genug.«
Ich schüttelte seine Hand nicht ab, aber sie spendete mir auch keinen Trost. Sie war ein zusätzliches Gewicht zu den Dingen, die mich niederdrückten. Ich dachte an Jana und wurde mir bewusst, was ich für sie empfand, und ich dachte nicht zum ersten Mal in meinem Leben daran, dass man die wahre Tiefe seiner Liebe nur dann spürt, wenn man im Begriff ist, sie zu verlieren.
»Was ist mit den Richtern? Kann man zu ihnen irgendwie Kontakt aufnehmen? Sie…«
»Bestechen?« Kleinschmidt seufzte. »Der Stadtrichter ist immer ein angesehener Adliger von außerhalb, damit er nicht voreingenommen ist. Er ist für ein halbes Jahr ernannt. Während dieser Zeit lebt er unter Bewachung in einem palazzo, den ihm die signoria zur Verfügung stellt. Er darf keinen Florentiner empfangen, keine Briefe aus der Stadt erhalten und nicht ausgehen, damit keine Kontakte zur Bevölkerung entstehen. Es ist unmöglich. Man kommt nicht an ihn heran.«
»Was tut dann der gewöhnliche Florentiner, wenn er die Justiz beeinflussen will? Erzähl mir nicht, das kommt nicht vor.«
»Na ja, es kommt schon vor. Manchmal kennt man jemanden, der wiederum jemanden in der Heimatstadt des Richters kennt, der dann den Richter selbst kennt. Dann kann man über diese Kette einen Brief an den Richter schreiben.«
»Woher kommt der momentane Richter?«
»Cesare da Montefeltro? Er kommt aus Urbino und ist ein entfernter Verwandter der früheren Herzogsfamilie.«
»Ich habe hier keinerlei Bekannte. Kennst du ›jemanden, der jemanden kennt‹, der aus Urbino ist?«
Kleinschmidt zuckte mit den Schultern und schüttelte gleichzeitig den Kopf.
»Versuch es trotzdem. Frag Gutswalter oder Boehl oder wen du sonst noch kennst in der Stadt!«
»Jedermann weiß, woher Cesare da Montefeltro stammt. So herumzufragen hieße zuzugeben, dass man auf ihn Einfluss zu nehmen versucht.« Kleinschmidt presste die Lippen zusammen. »Das hetzt uns den gonfaloniere in Windeseile auf den Hals. Abgesehen davon stehen die Richter allesamt im Ruf, ziemlich unbestechlich zu sein. Und Montefeltro genießt in dieser Hinsicht höchstes Ansehen. Nein, nichts kann auf das Urteil eines Richters Einfluss nehmen, es sei denn, er erhält ein bollettino.«
»Was ist das?«
»Eine Empfehlung der signoria, in einem Fall, der in ihrem Zuständigkeitsbereich liegt, so oder so zu entscheiden.«
»Dann schreiben wir ein Gnadengesuch an die signoria und…«
»Um Gottes willen, begreift Ihr denn nicht? Die Behörden suchen Euch doch. Was glaubt Ihr, wird ein Gnadengesuch mit Eurem Namen ausrichten?«
»Dann schreib du es.«
»Mich nimmt doch keiner ernst hier in Florenz, und…«
»… und außerdem würdest du damit auch deinen Kopf in die Schlinge stecken.«
Er gab ein klägliches Geräusch von sich, aber er widersprach nicht. Ich schnaubte. »Was ist mit Antonio Pratini?«
»Pratini? Kennt Ihr den etwa?«
»Jana kennt ihn besser als ich. Sie hat ihn in Venedig bei einem Geschäft aus dem Rennen geworfen.«
»Ich glaube nicht, dass er unter diesen Umständen das Risiko auf sich nehmen würde, für Jana zu bitten. Er ist sehr bekannt in der Stadt, aber er ist weder ein Fraktionsgänger der Pazzi noch der Medici. Er hat schon mehrfach öffentlich gesagt, die einzige Fraktion, der er sich zugeneigt fühle, sei die Pratini-Fraktion. In Zeiten wie dieser ist so eine Lage ziemlich prekär, da setzt man sich nicht der Gefahr aus.«
»Du hast für jede meiner Ideen einen Grund, warum es nicht geht«, brach es aus mir heraus. »Kannst du auch einmal etwas Positives beitragen?«
»In dieser Situation gibt es nichts Positives…«
Jemand öffnete die Tür und trat ein, ohne zu husten oder sich sonst wie anzukündigen. Ich drehte mich um und sah Stepan Tredittore im Türrahmen stehen. In sein Gesicht war die Farbe wieder einigermaßen zurückgekehrt. Ich starrte ihn an wie eine Erleuchtung.
»Janas Geschäftspartner – die, denen sie am Ostersamstag die Briefe geschrieben hat«, stieß ich hervor. Tredittore sah mich merkwürdig an.
»Was ist mit ihnen?«, fragte Kleinschmidt.
»Wir bitten sie um Hilfe! Wenn Jana ihnen geschrieben hat, waren sie zumindest keine Geschäftskonkurrenten. Sie haben keinen Grund zur Feindschaft. Sie können an die signoria schreiben. Damit würden sich mehrere Leute für sie
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