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Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici

Titel: Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Administrator
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verabschiedete ich mich von ihm, was ihn erleichterte. Seine Nervosität bezüglich der vom gonfaloniere aufgestellten Vigilantentruppen hatte mittlerweile auch von mir Besitz ergriffen, und ich versuchte ebenfalls über kleine Gassen in Richtung Fondaco zu finden. Als ich dort ankam, fühlte ich mich allerdings nur wenig erleichtert. In einen der beiden Räume meines Schwiegersohns zurückzukehren und entweder ihm oder Stepan Tredittore zu begegnen war mir unerträglich. Stattdessen versuchte ich, mir die Wartezeit im Hof des Fondaco zu vertreiben, beobachtete das schwerfällige Heranwälzen der Gewitterwolken, wanderte ziellos zwischen Häusern, Ställen und Vorratslagern herum, trat gegen das unebene Kopfsteinpflaster und gegen Häuserecken, biss auf meine Fingerknöchel und verwünschte Papst Sixtus, Jacopo de’ Pazzi, Stepan Tredittore, Jana und den langsamen Lauf der Stunden.
     
    »Nun?«, fragte ich Rucellai, der mich in seinem vorderen Zimmer empfing und nicht den Eindruck machte, er sei eben erst zurückgekehrt. Seine Frau und seine Tochter saßen noch immer auf dem Bett.
    »Das Schreiben, das Ihr mir mitgegeben habt, ist wirklich echt?«
    »Ja.«
    »Dann ist auch die Unterschrift auf dem Brief an der Schandtafel des Bargello echt.«
    Er reichte mir Janas Entwurf an die Stadtbehörden wieder zurück und besaß die Höflichkeit, nicht sofort die Hand nach dem Leinenbeutel auszustrecken, in dem sich der Rest seines Lohns befand.
    Ich stopfte Janas Brief in mein Wams. Ich fühlte mich wie betäubt. Lapo beobachtete mich mit halbem Mitleid.
    »Ist das alles, was Ihr zu sagen habt?«, stieß ich hervor.
    »Ja. Die Unterschrift stammt beide Male aus der gleichen Hand. Es war einfach festzustellen.«
    Er hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. Ich drückte ihm den Leinenbeutel in die Hand und verabschiedete mich ohne viele Worte von ihm. Er vermied es, mir in die Augen zu blicken. Der Richter fürchtet den Blick dessen, über den er das Todesurteil gesprochen hat. Als ich die Stufen hinunterschritt und mich umwandte, sah ich ihn auf dem Laufgang vor seiner Türöffnung stehen. Er hob zögernd die Hand und winkte mir nach. Ich war froh, als ich in den engen Durchgang trat und seine Blicke nicht mehr im Rücken fühlte. Mit seiner Botschaft mochte er sich wie der Richter gefühlt haben; mir kam er eher wie der Henker vor.
    Das Rollen des Gewitters war nun deutlich über den Glockenklängen zu hören, ein stetes Rumpeln, als führen Dutzende von Wagen mit eisengepanzerten Rädern über holpriges Katzenkopfpflaster. Es jagte sich über den Himmel und begann im Westen von neuem, kaum dass es im Osten verklungen war. In seiner Beständigkeit war es beklemmend, erschreckend, urgewaltig. Es gönnte sich keine Pause, es grollte mühelos über die nun blechern klingenden Glocken und jagte einem Angst ein, denn es versprach noch eine Steigerung der Naturgewalten: Bis jetzt war weder ein Blitz zu sehen, noch war Wind aufgekommen oder gar Regen gefallen. Die Hitze war womöglich schlimmer als jemals zuvor an diesem Tag. Die Wolken hingen endlich dicht über den Dächern der Stadt, nicht mehr gestaltlos wie zuvor, sondern eine träge rotierende Masse aus über- und untereinandergestaffelten Schichten, aus der runde Ausbuchtungen hingen wie die Euter von Kühen, dunkel und regenschwer. Das Licht hatte jetzt eine andere Qualität, dämmrig, ein Licht, das die Konturen verschwinden und meine Sicht trüb werden ließ. Die Herumlungerer hatten sich zurückgezogen. Ich stand allein vor Lapo Rucellais Haus und spürte, wie mir der Schweiß an Rücken und Bauch hinuntertröpfelte.
    Lapos Bestätigung dröhnte in meinen Ohren mit der gleichen Vehemenz wie der Donner. Was konnte ich jetzt noch tun? Jana freikaufen? Ich konnte keinerlei Summe aufbieten, die eine steinreiche Familie wie die Medici interessieren würde. An Lorenzos Gnade appellieren und auf Janas Situation hinweisen? Selbst wenn er Gnade üben würde, wäre sie doch nur als Umwandlung des Todesurteils in eine Kerkerhaft zu verstehen. Da wünschte ich mir noch eher einen schnellen Tod für Jana. Ich erschauerte, als ich nur diesen Gedanken fasste, aber mein Hirn machte unbarmherzig weiter. Schneller Tod?
    Wenn sie ernsthaft nach mir suchten, würden sie Jana und ihre Zofe schon jetzt foltern, um meinen Aufenthaltsort zu erfahren.
    Ich konnte mich stellen, um ihnen das zu ersparen.
    Die Hinrichtung wird nichts weniger als eine Folter werden. Denk an Prato.
    Als ich

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