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Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici

Titel: Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Administrator
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oder hatte sich über Florenz erschöpft; nur noch vereinzelt war leises Donnern zu hören, und der Regenguss hatte sich in ein unregelmäßiges Tröpfeln verwandelt. Die Regentropfen waren erstaunlich kalt. Die Temperatur an sich jedoch hatte sich durch das Gewitter kaum verändert: Die Schwüle war zwar verschwunden, und die Luft schien reiner und roch nach nasser Erde, aber es war nicht nennenswert kälter geworden. Der Himmel war von verschmiertem, konturlosem Weiß und Grau, das dort, wo ich die Sonne vermutete, bereits hell gleißte. Wir stapften durch die großflächigen Pfützen, während überall die Fensterläden geöffnet wurden, um der frischen Luft Zutritt in die Häuser zu gewähren. Manch einer schien erstaunt, dass das Gewitter keine größeren Verheerungen angerichtet hatte, und nahm die von seinem Dach heruntergewehten Schindeln eher als ein Zeichen des Glücks. Auf vielen Fenstersimsen standen brennende Kerzen gegen das Unwetter, die jetzt zögernd ausgeblasen wurden. Wir wichen den Scherben aus und einer Gruppe von Buben, die mit völlig durchweichten Hemden in einer Lache herumtollten, die dem Kleinsten von ihnen bis an die Knie ging. Ihr Lachen hallte zwischen den Häuserwänden wider. Die Erwachsenen erwiderten das Lachen nicht. Das Strafgericht war noch nicht vorüber. Die Möbeltrümmer vor den geplünderten Häusern glänzten vor Nässe; die triefenden Teppiche und Vorhänge lagen schlapp und verschmutzt quer über den Gassen und troffen, als wir darauf traten.
    »Wir suchen zuerst Francesco Nori auf«, entschied ich. »Er ist der Einflussreichste der Männer; wenn er uns hilft, können wir auf die anderen verzichten.«
    Kleinschmidt sah Tredittore an. Beide trotteten hinter mir her und machten einen wenig begeisterten Eindruck. Tredittore sah sich nur ungern in der Rolle dessen, der mit seinen Auskünften Jana aus der Patsche helfen konnte, und Kleinschmidt plagte die Angst davor, dass man mich erwischte und ins Gefängnis warf. Ich war nicht in der Lage, seine Besorgnis zu teilen. Die Angst um Jana überlagerte die Sorge über meine eigene Situation. Wenn etwas an der Möglichkeit meiner Verhaftung mich bewegte, dann nur der Umstand, dass dann niemand mehr in Freiheit war, der Jana unterstützen konnte. Tredittore würde es nur tun, wenn ich ihn unter Druck setzte, und Kleinschmidt… Kleinschmidt hatte schon Angst, im hellen Tageslicht auf dem Hof des Fondaco umherzulaufen.
    »Nori, das ist der Bankier«, sagte Tredittore zögernd.
    »Er wohnt über der Bankfiliale, am Canto alla Paglia«, erläuterte Kleinschmidt.
    »Richtig. Das ist an der Ecke der Piazza del Duomo und der Via San Lorenzo, gegenüber dem Bischofspalast.« Tredittore machte ein erleichtertes Gesicht. Kleinschmidts Miene hingegen blieb düster. »Wir werden ihn vermutlich nicht einmal antreffen; da er ein enger Freund Ser Lorenzos ist, wird seine Familie im Palazzo Medici sein und mit Lorenzo trauern. Oder man verhaftet uns dort vom Fleck weg.«
    »Hör auf zu unken!«, rief ich unbeherrscht. »Beeil dich lieber und zeig uns einen Weg um den Palazzo della Signoria herum; ich habe kein Verlangen, Bischof Salviati und seinen Kumpanen nochmals meine Aufwartung zu machen.«
     
    Das Bankhaus war ein großer palazzo, dessen Breitseite die Via Larga flankierte. Von Piero Vespuccis Haus war es nur einen Katzensprung entfernt; Freund und Feind wohnten in Florenz in enger Verzahnung. In den Rillen und Sprüngen des Pflasters glänzte das Regenwasser; der staubfarbene Pietradura-Stein, aus dem der palazzo erbaut war, hatte lange dunkle Streifen und wirkte fleckig vom Regen. Auf dem breiten Marmorsims saßen mehrere kleine Gruppen von vornehm gekleideten Männern und unterhielten sich leise; sie waren mit Spießen oder kurzen Schwertern bewaffnet, und einige von ihnen trugen sogar unhandliche Bihänder oder Turnierschwerter in der Armbeuge -sichtlich unerfahren im Umgang mit den alten Erbstücken aus der Zeit ihrer Urgroßväter und doch um nichts weniger entschlossen, sie gegen die Feinde ihres Idols Lorenzo de’ Medici anzuwenden. Etwas abseits standen Männer mit engen, glänzenden Helmen über abweisenden Gesichtern. Ihre Spieße waren schlicht, und ihre Schwerter steckten in hässlichen, geschäftsmäßigen Scheiden. Kleinschmidt schluckte bei ihrem Anblick, und auch Tredittore machte ein langes Gesicht. Sie schienen zu glauben, dass wir, wenn wir etwas zu befürchten hatten, es von diesen Männern erwarten mussten. Ich hätte

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