Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
ihnen sagen können, dass auch die verzärtelten reichen Söhne eine Gefahr darstellten, wenn der Blutdurst in ihnen tobte. Einen Augenblick lang fragte ich mich, wie sehr die Behörden wohl nach mir suchten und ob schon Beschreibungen meiner Person zirkulierten. Wie viel mochte Jana ihnen erzählt haben, bevor ihr bewusst wurde, dass sie mich in Gefahr brachte? Und wie wichtig war den Behörden die Suche nach mir, um mit der Folter Janas und ihrer Zofe noch zu warten? Ich eilte an den Bewaffneten vorbei.
Das Bankkontor war im Erdgeschoss eingerichtet, in einem breiten Bogengang, der zum Innenhof des Gebäudes führte. Die schweren Türflügel des Zugangs waren weit geöffnet. An beiden Seiten des Ganges befanden sich Nischen, in denen schwere truhenförmige Tische standen, sodass man seine Geld- oder Tauschgeschäfte abschließen konnte, ohne der Witterung ausgesetzt zu sein. Die Tische waren unbesetzt. Als wir in den Gang eintreten wollten, sprangen ein paar junge Männer von dem Sims und gesellten sich zu uns. Ich dachte an meine Begegnung mit den Plünderern und versteifte mich. Die Männer sprachen uns an.
»Sie wollen wissen, wer wir sind, was wir hier wollen…«
»Sag ihnen, ich bin ein Geschäftsfreund von Francesco Nori von jenseits der Alpen, der ihn besuchen will«, zischte ich Kleinschmidt zu. Während er übersetzte, traten die Waffenknechte mit den Helmen näher heran und riegelten den Rückweg zur Straße hin ab.
»Pazzi o Medici« stieß einer der Männer hervor.
Es machte keinen Sinn, so zu tun, als wüsste ich von nichts. Ich machte ein verächtliches Gesicht, griff mir an den Schritt und sagte: »Pazzi? Cazzo!« Es machte sich bezahlt, wenn man die Rossknechte in den Herbergen bei ihren freundlichen Unterhaltungen belauschte.
Sie lachten gedämpft. Einer machte eine Handbewegung.
»Sie fragen nach Waffen.«
»Lassen wir uns durchsuchen.«
Sie tasteten uns ab und traten dann zurück.
»Mi dispiace«, sagte ihr Sprecher. »Ma Francesco è morto.«
»Was sagt er?«, stieß ich hervor, aber ich hatte es schon verstanden.
»Nori ist tot?«
Kleinschmidt begann eine Unterhaltung, die auf Seiten seiner Gesprächspartner gestenreich und mit sich steigernder Lautstärke geführt wurde. Tredittore lauschte ihnen gespannt, bis ich ihn in die Seite stieß und um Übersetzung bat.
»Sie sagen, Ser Lorenzo sei von zwei Priestern angegriffen worden, aber sie brachten ihm nur eine Wunde am Nacken bei. Er zog das Schwert und verteidigte sich gegen sie, bis er genug Raum hatte, um über das Chorgitter zu springen und zur Sakristei zu laufen. Bernardo Bandini, das ist einer der beiden Männer, die Ser Giuliano töteten, lief ihm hinterher. Francesco Nori war in der Nähe Ser Lorenzos gewesen und hatte ihm geholfen, sich gegen die zwei Priester zu behaupten. Dann versuchte er, Bandini aufzuhalten…«
»Ich erinnere mich. Nori brachte Bandini zu Fall und rettete Lorenzo damit wahrscheinlich das Leben, aber er bezahlte es mit seinem Tod.«
Die jungen Männer betrachteten uns erwartungsvoll. Ich warf den Waffenknechten einen Blick zu. Sie standen entspannter als vorher, aber auch sie lauerten darauf, was wir tun würden. Ich fühlte mich maßlos enttäuscht und gleichzeitig wütend.
»Was jetzt?«, fragte Kleinschmidt.
»Ich habe keine Ahnung.«
»Wenn wir wieder gehen, sieht es mehr als seltsam aus«, flüsterte Tredittore. »Wahrscheinlich denken sie, wir sind hier, um der Familie unser Mitgefühl auszudrücken.«
»Nori und seine Familie sind mir egal; es geht um Jana, zum Teufel!«
»Messere?«, fragte einer der jungen Männer. »Che cosa?«
Ich starrte ihn an. Tredittore gab sich einen Ruck und sprudelte etwas hervor. Der andere verzog das Gesicht, dann nickte er mitfühlend.
»Ich habe gesagt, wir hätten gehört, Nori sei nur verletzt worden und wären nun von der Nachricht seines Todes überrascht.« Tredittore zuckte mit den Schultern. Ich sah feine Schweißperlen auf seiner Stirn. Er bemühte sich, nicht zu den Bewaffneten in unserem Rücken zu blicken. Unser Gesprächspartner machte eine einladende Handbewegung zum Innenhof des Gebäudes hin.
»Wir müssen zumindest hineingehen«, krächzte Kleinschmidt.
Ich setzte mich in Bewegung, ohne zu wissen, wohin ich gehen sollte, aber mit dem Bewusstsein, dass ich das verschwendete, wovon wir am wenigsten hatten: Zeit. Am liebsten wäre ich aus dem Gebäude gerannt und hätte Tredittore und meinen Schwiegersohn vor mir her zur nächsten
Weitere Kostenlose Bücher