Duell der Magier 01 - Unter den magischen Monden
Bein. »Ist es schlimm?«
Tayyan schüttelte so heftig den Kopf, daß ihr kurzes, blondes Haar um ihr Gesicht flog. »Ich glaube nicht.« Sie strich die fahle Mähne aus den Augen. »Wie nahe sind sie deiner Meinung nach?«
»Zwei Ecken zurück, aber sie holen auf.« Serroi tastete den verletzten Knöchel ab, ohne auf Tayyans schmerzerfülltes Stöhnen zu achten. »Ich glaube nicht, daß etwas gebrochen ist. Kannst du gehen?«
Tayyan hob den Kopf, blinzelte, als wieder ein Blitz die Finsternis durchzuckte, und zog eine Grimasse, als das Wiehern eines Pferdes im Donnergetöse unterging. »Das werde ich wohl müssen, wie?« Ihr knappes Lachen klang heiser, angespannt. Sie stieß sich von der Mauer ab, und hinkte ein paar Schritte. Schweiß trat auf ihre Stirn, und sie biß sich auf die Unterlippe.
»Stütz dich auf mich.« Serroi schlang den Arm um die Taille der Kampfgefährtin. »Alles klar?«
Tayyan kicherte. Diesmal klang es natürlicher. »Gut, Kleines.« Sie kraulte Serrois wirre Locken, dann drückte sie ihre Hand auf deren Schulter und verlagerte soviel Gewicht auf die zierliche Frau, daß sie relativ schnell davonhumpeln konnte. Jeder Lichtstrahl, der die erstickende Finsternis der Gewitternacht spaltete, zeigte aneinandergebaute Lagerhäuser zu beiden Seiten der gewundenen Straße, kahle, hohe Steinfassaden, zwei Stockwerke, die sie zwangen, auf der Straße zu bleiben, die immer mehr nach einer Falle aussah.
Ein Vinat auf dem Weg zum Schlächter,
dachte Serroi.
Gebe die Jungfrau, daß wir bald eine Seitengasse finden. Sonst müssen wir kämpfen.
Wieder nahm die Straße eine Biegung, eine unvermittelte, fast rechtwinklige Kurve. Die beiden Frauen stolperten um die Ecke und blieben bestürzt stehen, als sie im Blitzschein sahen, daß ihnen eine massive Steinwand das Weitergehen verwehrte – ein Lagerhaus, dessen gewaltige eisenbeschlagene Türen die einzige Unterbrechung in der zwei Stockwerke hohen, grob gehauenen Steinwand darstellten. Serroi schaute zu Tayyan hoch und faßte nach dem aufgerollten Seil an ihrem Waffengürtel. »Du bist die Kletterkünstlerin. Wo geht es am besten?«
Tayyan drängte sie weiter. Dann blieb sie stehen und drückte Serrois Schulter. »Das Lagerhaus. Du kletterst, ich werde dir Deckung geben.« Sie hinkte zur Hausmauer und starrte zur Ecke zurück, um die sie gerade gebogen waren.
»Aber ... Tayyan!«
Die größere Frau sah sie an und schnitt eine Grimasse. »Nun mach schon, ja? Du wirst mich nachher hochziehen müssen.« Serroi blickte auf ihre zitternden Hände, bis sie sich beruhigte, dann rannte sie über das Pflaster auf die Doppeltür zu. Sie löste das Seil vom Waffengürtel, klammerte den kleinen, zusammenklappbaren Enterhaken daran fest und begann, das beschwerte Seil in weiter werdenden Kreisen zu schwingen. Sie ließ los. Das Seil flog nach oben, streifte einen vorstehenden Balken und fiel polternd aufs Pflaster zurück. Serrois Atem pfiff in ihrer Kehle, als sie den Enterhaken einholte und erneut zu schwingen begann. Als sie diesmal losließ, hörte sie, wie der Enterhaken sauber griff und das Seil wie ein Lebewesen vor ihr hüpfte. Sie wischte mit den Händen über ihre schweißnasse Stirn, straffte ihre Schultern und drehte sich um.
Tayyan stand nun mitten auf der Straße, die Hand am Schwertknauf, der Körper ausbalanciert und trotz ihres verletzten Beins gespannt. Serroi hauchte ein Dankgebet und rief dann: »Tayyan ! Zieh deine dünne Gestalt an diesem Seil hoch!«
Sie griff nach dem Bogen, der an einem breiten Lederriemen auf ihrem Rücken hing. »Damit kann ich sie in Schach halten!«
Tayyan schnaubte, als sie ein paar Schritte näherhinkte. »Du zuerst, meine Liebe; vom Dach aus hast du einen besseren Schußwinkel.«
»Tayyan!«
»Nun debattier nicht, sonst schlage ich dich grün und blau, wenn wir zu Hause sind, kleine Windläuferin.« Sie grinste. »Los!«
»Angeber!«
»Krümel!« Kichernd wandte sich Tayyan wieder der Hausecke zu. Blitze hoben die Umrisse von vier Männern aus der Dunkelheit. Ihre Stimme übertönte deren Triumphgeheul, als sie schrie: »Los!«
Serroi rannte zu dem Seil und begann emporzuklettern. Ein Bolzen aus der Armbrust einer Wache schlug gegen den Stein und prallte ab. Flüche und Schwertergerassel hinter ihr ließen sie so schnell das Seil emporklettern, daß ihre Arme von der Anstrengung brannten. Schließlich schwang sie sich über den Rand und fiel auf das Flachdach. Ein Bolzen summte vorbei. Hastig änderte sie
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