Duell der Zauberer
großen, hellen Raum, den König Cho-Hag ihnen zur Verfügung gestellt hatte. Unter den Armeeoberen wurden keinerlei Förmlichkeiten mehr beachtet, und die meisten lungerten in bequemen, mit Pferdefellen bezogenen Sesseln herum und sahen zu, wie der rotgewandete Rhodar mit einem Stück Schnur Entfernungen auf einer großen Landkarte abmaß, die eine ganze Wand bedeckte.
»Das scheint mir gar nicht so weit zu sein«, sagte er gerade zu König Cho-Hag.
»Das liegt daran, daß deine Karte flach ist, Rhodar«, erwiderte Cho-Hag. »Die Gegend dort ist sehr gebirgig. Glaub mir, das dauert drei Tage.«
König Rhodar stieß einen unfeinen Laut des Widerwillens aus. »Ich schätze, dann müssen wir die Idee aufgeben. Ich würde zu gern diese Befestigungen niederbrennen, aber ich habe keinesfalls vor, Selbstmordkommandos aufzustellen. Ein Dreitagesritt ist einfach zu weit.«
»Eure Majestät«, sagte Ce’Nedra höflich.
»Ja, Kind?« Rhodar blickte noch immer stirnrunzelnd auf die Karte.
»Ich möchte Euch jemanden vorstellen.«
König Rhodar drehte sich um.
»Eure Majestät«, sagte Ce’Nedra förmlich, »darf ich Euch mit Seiner Gnaden, dem Herzog von Anadil, bekanntmachen? General Varana, Seine Majestät, König Rhodar von Drasnien.«
Die beiden Männer verneigten sich höflich voreinander und maßen sich mit abschätzenden Blicken.
»Der Ruf des Generals ist ihm vorausgeeilt«, meinte König Rhodar.
»Aber die Fähigkeiten Seiner Majestät als Militärstratege sind geheimgehalten worden«, entgegnete Varana.
»Meint Ihr, daß damit den Anforderungen der Höflichkeit Genüge getan ist?« fragte Rhodar.
»Wenn nicht, können wir später noch ein wenig weiter darüber lügen, wie außerordentlich höflich wir zueinander waren«, befand Varana.
König Rhodar grinste ihn kurz an. »Also schön, was macht Tolnedras führender Taktiker in Algarien?«
»Beobachten, Eure Majestät.«
»Und Ihr haltet an dieser Geschichte fest?«
»Selbstverständlich. Aus politischen Gründen muß Tolnedra in dieser Angelegenheit streng neutral bleiben. Ich bin sicher, daß der drasnische Geheimdienst Eure Majestät über die Gegebenheiten der Sachlage informiert hat. Die fünf Spione, die Ihr im Kaiserpalast habt, sind sehr tüchtig.«
»Sechs, genaugenommen«, bemerkte Rhodar beiläufig.
General Varana hob die Augenbrauen. »Das hätten wir uns wohl denken können.«
»Es ändert sich von Zeit zu Zeit«, Rhodar zuckte die Achseln. »Ihr kennt die strategische Lage?«
»Man hat mich informiert, ja.«
»Wie schätzt Ihr sie ein?«
»Ihr seid in Schwierigkeiten.«
»Danke«, erwiderte Rhodar trocken.
»Eure Anzahl erfordert, daß Ihr eine defensive Haltung annehmt.«
Rhodar schüttelte den Kopf. »Das könnten wir machen, wenn wir uns um Taur Urgas und die Murgos aus dem Süden kümmern müßten, aber ’Zakath schifft täglich mehr Truppen nach Thull Zelik. Wenn wir uns einfach in Befestigungsanlagen verschanzen und er sich entschließt, gegen uns zu ziehen, kann er uns im Herbst bis zum Hals in Malloreanern begraben. Der Schlüssel zu der ganzen Situation liegt darin, Anhegs Flotte ins Meer des Ostens zu bringen, um die Truppentransporte aufzuhalten. Wir müssen etwas riskieren, damit das aufhört.«
Varana studierte die Landkarte. »Wenn Ihr den Mardu hinabsegelt, müßt Ihr die thullische Hauptstadt einnehmen«, sagte er, auf Thull Mardu deutend. »Sie ist eine Insel – wie Tol Honeth – und liegt mitten im Fluß. Ihr werdet nie mit einer Flotte an ihr vorbeisegeln können, solange sie von einer feindlichen Macht gehalten wird. Ihr müßt die Stadt einnehmen.«
»Der Gedanke ist uns auch schon gekommen«, sagte König Anheg von seinem Sessel aus, wo er bequem hingestreckt lag und den unvermeidlichen Bierkrug in der Hand hielt.
»Ihr kennt Anheg?« fragte Rhodar den General.
Varana nickte. »Vom Hörensagen«, antwortete er. Er verbeugte sich vor Anheg. »Eure Majestät.«
»General«, entgegnete Anheg und neigte den Kopf.
»Wenn Thull Mardu stark verteidigt wird, kostet es Euch ein Drittel Eurer Armee, es einzunehmen«, fuhr Varana fort.
»Wir wollen die Garnison herauslocken«, erläuterte Rhodar.
»Wie?«
»Das wird von Korodullin und mir abhängen«, sagte König Cho-Hag leise. »Sobald wir oben auf der Klippe sind, werden die mimbratischen Ritter ausschwärmen und jede Stadt und jedes Dorf im Hochland zerstören, und meine Clans werden in die ländlichen Gebiete einfallen und die Felder
Weitere Kostenlose Bücher