Duell der Zauberer
irgendeine Unterwürfigkeit in der Beziehung der Familie gegenüber den Großherzögen aus dem Hause Borune gegeben. Tatsächlich machten anadilische Herzöge oft genug Scherze über ihre mächtigen Nachbarn. Ernsthafte Geschichtsschreiber und Staatsmänner betrachteten es schon seit langem als Unglück für das Reich, daß die talentierte Familie der Anadiler nicht vermögend genug war, um ernsthaft auf den Kaiserthron Anspruch zu erheben.
Als General Varana höflich in den Raum hinkte, wo Ce’Nedra ihn ungeduldig erwartete, spielte ein leises Lächeln um seine Lippen, und eine seiner Augenbrauen war fragend hochgezogen. »Eure Majestät«, grüßte er sie mit einer Verbeugung.
»Onkel Varana«, rief die Prinzessin und flog ihm entgegen, um ihn zu umarmen. Varana war zwar eigentlich nicht ihr Onkel, aber sie hatte ihn schon immer als solchen betrachtet.
»Was hast du bloß gemacht, meine kleine Ce’Nedra?« Er lachte und umfing sie mit seinen muskulösen Armen. »Du stellst die ganze Welt auf den Kopf, weißt du das? Was macht eine Borunerin mitten in Algarien an der Spitze einer alornischen Armee?«
»Ich werde in Mishrak ac Thull einmarschieren«, erklärte sie verschmitzt.
»Wirklich? Wozu? Hat König Gethell von Thull irgendwie das Haus Borune beleidigt? Davon habe ich ja gar nichts gehört.«
»Es ist eine alornische Angelegenheit«, antwortete Ce’Nedra leichthin.
»Ach, ich verstehe. Das erklärt es wohl. Alorner brauchen keine Gründe für ihre Taten.«
»Du machst dich über mich lustig«, beschwerte sie sich.
»Aber natürlich, Ce’Nedra. Die Anadiler machen sich seit Jahrtausenden über die Boruner lustig.«
Sie schnitt eine Grimasse. »Es ist sehr ernst, Onkel Varana.«
»Aber sicher«, stimmte er zu und legte ihr sanft einen Finger auf die schmollend vorgeschobene Unterlippe, »aber das ist doch kein Grund, nicht darüber zu lachen.«
»Du bist unmöglich«, sagte Ce’Nedra hilflos und mußte gegen ihren Willen lachen. »Was machst du hier?«
»Ich beobachte«, antwortete er. »Das tun Generäle immer. Du ziehst in den einzigen Krieg, den es zur Zeit gibt, also haben wir uns gedacht, wir kommen her und schauen uns das an. Morin hat es vorgeschlagen.«
»Der Kämmerer meines Vaters?«
»Ich glaube, das ist seine Position, ja.«
»Morin würde so etwas nicht tun – nicht von sich aus.«
»Wirklich nicht? Erstaunlich.«
Ce’Nedra runzelte die Stirn und kaute geistesabwesend auf einer Haarsträhne. Varana zog ihr die Locke aus dem Mund.
»Morin tut nichts, was mein Vater ihm nicht aufträgt«, überlegte Ce’Nedra und wollte sich wieder eine Strähne zwischen die Zähne stecken.
Wieder nahm ihr Varana die Locke aus den Fingern.
»Laß das«, sagte sie.
»Warum? So habe ich dir auch das Daumenlutschen abgewöhnt.«
»Das ist etwas anderes. Ich denke nach.«
»Dann denke mit geschlossenem Mund.«
»Das war die Idee meines Vaters, nicht wahr?«
»Ich würde mir nicht anmaßen wollen, die Gedanken des Kaisers zu kennen«, erwiderte er.
»Ich schon. Was hat der alte Fuchs vor?«
»Das ist nicht sehr respektvoll, Kind.«
»Du hast gesagt, du bist hier, um zu beobachten?«
Er nickte.
»Und vielleicht um ein paar Vorschläge zu machen?«
Er zuckte die Achseln. »Wenn mir jemand zuhört. Du mußt verstehen, ich bin nicht offiziell hier. Das läßt die kaiserliche Politik nicht zu. Dein Anspruch auf den Thron von Riva wird in Tol Honeth formell nicht anerkannt.«
Sie blickte ihn an. »Diese Vorschläge, die du eventuell machst – falls du zufällig in der Nähe einer tolnedrischen Legion sein solltest, die offenbar ein wenig Führung braucht, könnte es sein, daß einer dieser Vorschläge vielleicht lautet: ›Vorwärts Marsch!‹?«
»Die Situation könnte entstehen, ja«, gab er ernsthaft zu.
»Und du hast noch einige andere Offiziere des Generalstabs bei dir?«
»Ich glaube, daß einige von ihnen tatsächlich gelegentlich in diesem Korps dienen.« Seine Augen zwinkerten vor unterdrückter Belustigung.
Ce’Nedra hob wieder die Locke, und General Varana nahm sie ihr wiederum fort.
»Wie würde es dir gefallen, König Rhodar von Drasnien kennenzulernen?« fragte sie.
»Ich würde mich geehrt fühlen, Seine Majestät kennenzulernen.«
»Warum gehen wir dann nicht zu ihm?«
»Ja, warum nicht?«
»Ach, ich liebe dich, Onkel.« Sie lachte und schlang die Arme um ihn.
Sie fanden König Rhodar zusammen mit den anderen Führern der Armee in einer Besprechung in dem
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