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Duell im Eis

Duell im Eis

Titel: Duell im Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Zufrieden küßte sie ihn auf den Bauch und schwenkte die Beine aus dem Bett. Leise zog sie sich an und schlich hinaus. Das schwache Licht ließ sie brennen.
    Draußen tobte der Wind, fegte Wolken von Eiskristallen über den Hang und das Plateau und überzog das Haus mit einer weißglitzernden Schicht. Den Kopf tief in den Pelz eingezogen, nach vorn geduckt und oft den Atem anhaltend, kämpfte sich Ljuba bis zu dem Raupenschlitten vor, der etwas geschützt zwischen zwei Holzstapeln stand. Sie nahm die Eispickel vom Sitz, klemmte sich dann auf das gepolsterte Kunstleder und steckte den Schlüssel ins Schloß. Elfmal mußte sie starten, bis der Motor unwillig ansprang und sich die Raupen durch das Eis walzten. Als sie aus dem Schutz der Holzstöße herausfuhr, ergriff sie voll der Wind, zerrte an ihrem Pelz, schlug mit dem Flugeis auf sie ein und drückte sie fast vom Sitz.
    »Mich hältst du nicht auf!« sagte sie durch den Gesichtsschutz und blickte dabei kurz in den fahlen Nachthimmel. Als schwimme der Berg nicht mehr im Ozean, sondern in den Wolken, so sah es aus. Grauschwarz war alles um sie herum, nur das Eis schimmerte wie immer, rätselhaft, geheimnisvoll, als werde es von innen schwach erleuchtet. »Du nicht! Fall über mich her, du verfluchter Wind, ich halte dir stand!«
    Über eine Stunde brauchte sie, bis sie sich die sanft ansteigende Hangstraße hinauf gequält hatte, immer die Angst in sich, der Motor könne aussetzen und versagen und sie dem Wind ausliefern; aber der Schlitten erreichte den Hang und rasselte auf die Ebene, die Jurij mit dem Waschbrett seiner Großmutter verglichen hatte. Vom Kopf bis zu den Stiefeln war Ljuba mit Eis überzogen, kaum sah man noch den Pelz, aber sie fuhr weiter; die beiden starken Scheinwerfer des Gefährts durchbrachen die Eiswolken und ließen die auf Ljuba zuschießenden Kristalle zu silbern glitzernden Nadeln werden, die sich in ihren Pelz bohrten.
    Endlich erfaßten die Lichter Hendersons Hubschrauber vor der aufragenden Eiswand. Er zitterte und schwankte von dem Anprall des Windes, aber er trieb nicht weg. Ljuba fuhr nahe an ihn heran, bremste und ließ den Motor laufen, als sie vom Sitz kletterte.
    Sie zerrte ein dickes Kunststoffseil aus dem Transportkasten hinter sich, stampfte zu dem Gestänge der Hubschrauberkufen und schlang das Seil ein paarmal um die Stahlstreben; aber ein fester Knoten machte ihr so viel Mühe, daß sie, als er ihr endlich gelang, erschöpft gegen die Glaskanzel lehnte und die Stirn dagegen drückte. Kurze Zeit blieb sie stehen, ihr Herz schlug, als würde es gleich zerplatzen, in ihren Schläfenadern klopfte das Blut so stark, daß alles Denken ausgeschaltet war, aber dann spürte sie neue Kraft in sich, nahm das Seil, schleppte es zum Schlitten und band es hinter dem Transportkasten an einen eisernen Haken.
    »Es wird halten«, sagte sie zu sich. »Es muß halten. Ich will es so, also wird es auch so sein! Hörst du, Seil, hörst du, Hubschrauber? Ljuba Alexandrowna will es. Wehrt euch nicht dagegen. Nie gebe ich auf! Nie!«
    Sie setzte sich wieder in den Schlitten und fuhr ganz vorsichtig an. Das Seil spannte sich, durch den Hubschrauber fuhr es wie ein Schütteln, und dann knirschten seine Kufen über das Eis, der wespenähnliche Körper bewegte sich, die Glaskanzel schwankte hin und her, aber er hing sicher am Seil und folgte dem Zug der Raupenketten.
    Langsam kehrte Ljuba zu ihrem Haus zurück. Auf der abfallenden Straße wurde es am schlimmsten: Der Hubschrauber glitt von selbst die schiefe Ebene hinab, die Glaskanzel schob sich über Ljuba hinweg, der Schlitten fuhr jetzt zwischen den Kufen, als würde er transportiert und nicht das Flugzeug, und nur das Gestänge verhinderte, daß es nicht über Ljuba hinwegglitt und schneller, immer schneller werdend den Hang hinab polterte und vielleicht auch den Schlitten mit sich riß.
    Endlich war die Straße geschafft. Ljuba zog den Hubschrauber an ihrem Haus vorbei, fuhr auf das Eisplateau und hielt knapp vor dem Absturz zum Meer an. Der Wind hieb auf sie ein, aber jetzt, so nahe am Ziel, war er für sie kein Feind mehr. Besiegt hatte sie ihn, ihr Wille war stärker gewesen. Als sie vom Schlitten stieg, ein lebendes Gebilde aus Eis, spürte sie den Frost nicht mehr; der Triumph war wie eine Hitze, die alles schmelzen ließ.
    Noch schwerer, als den Knoten um das Gestänge zu schlingen, war es, ihn wieder aufzuziehen. Es gelang ihr nicht, das Seil war so vereist, der Knoten war so

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