Duell im Eis
hellen Seufzern von ihm Besitz ergriff, bäumte sich Henderson auf, riß ihr den Halter von den Brüsten und preßte den Mund auf sie.
In seinem Kopf kreiste der Wodka, ein unbeschreibliches Gefühl durchrann ihn, als platze er auseinander und werde befreit von jedem Druck, und es gab keine Gedanken mehr, keinen Willen, weder Zeit noch Raum, nur noch eine das Herz verbrennende Glückseligkeit.
Am Abend wurde Commander Brooks vom Wachhabenden des Flugplatzes angerufen.
Ein Lieutenant Bob Gilles meldete sich und schien sehr verunsichert zu sein. »Sir«, sagte er, »ich weiß nicht, was ich davon halten soll: Ric ist von seinem Suchflug noch nicht zurück.«
»Was sagen Sie da, Bob?« Brooks zuckte hoch. Die volle Tragweite dieser Meldung begriff er erst nach Sekunden. »Ric ist überfällig?« Er spürte, wie Kälte sich in ihm ausbreitete. Das kann nicht sein, versuchte er sich zu beruhigen. Ric ist nichts zugestoßen. Er ist einer der besten Flieger der Air Force. Er würde nie ein Risiko eingehen. Aber jetzt ist es dunkel draußen, und er ist noch nicht zurück. »Kein Funkspruch, Bob?«
»Nichts, Sir. Das macht mir Sorge. Starker Wind ist aufgekommen, die Temperatur ist auf 45 Grad gesunken. Es ist unmöglich, daß Ric draußen bleiben kann und vielleicht im Hubschrauber übernachtet. Er würde ein Eisklotz werden.«
»Malen Sie kein schwarzes Bild, Bob!« Brooks wischte sich über das Gesicht. Erst Virginia und jetzt auch Ric? Er wehrte sich gegen diesen Gedanken und spürte doch einen immer stärkeren Druck auf seinem Herzen.
»Was sollen wir tun, Sir?« hörte er Gilles' Stimme, als sei sie ganz weit weg und nicht knapp 1.000 Meter von ihm entfernt. »Sollen wir Ric suchen?«
»Wo, Bob? Wir können in der Nacht nicht 160 Kilometer in der Länge und 40 Kilometer in der Breite ableuchten, auch wenn wir alle Maschinen einsetzen! Wie ist der Wind?«
»Zwischen Stärke 9 und 10, Sir.«
»Das haut jeden Helikopter vom Himmel!«
»Das befürchte ich auch, Sir.«
Brooks schloß einen Moment die Augen. Seine Hilflosigkeit gegenüber der Natur, die Kapitulation der Technik vor den elementaren Kräften lösten bei ihm Untergangsstimmung aus. »Ric wird einen Grund haben, später zu kommen«, sagte er, sich selbst belügend.
»Warum meldet er sich dann nicht? Seit einer Stunde rufen wir ihn an. Er reagiert nicht.«
»Was soll ich Ihnen darauf antworten, Bob?« schrie Brooks. Er mußte jetzt schreien, es befreite, milderte den inneren Druck. »Wir können nur warten.«
Warten. Ein grausames Wort, wenn man nicht daran glaubt.
Brooks zog seinen wattierten Anzug an, fuhr in die Fellstiefel, legte den dicken Pelzmantel um und drückte die Pelzmütze tief ins Gesicht. Wenig später stolperte er in das Wachgebäude des Flugfeldes, vom Eiswind geschüttelt und von der Erkenntnis, daß Henderson dieses Wetter draußen auf dem Berg nie überstehen konnte. Nur eine einzige, winzige Hoffnung gab es noch: Er hatte sich in eine Eishöhle verkrochen, geschützt vor dem Wind, und wartete dort bis zum neuen Tag.
»Hoffen wir, Bob, daß es so ist«, sagte er zu Lieutenant Gilles und trank einen Bourbon aus der Flasche. »Denken Sie an die Eskimos. Die überleben jeden Sturm in ihren Iglus. Aus Eisblöcken gebaut. Ich habe mir sagen lassen, daß es darin sogar warm ist. Und eine Eishöhle ist nichts anderes als ein Iglu. Ich mache mir mehr Sorgen um den Hubschrauber.«
Bob Gilles nickte. Sie betrogen sich jetzt alle um die Wahrheit, weil sie sich weigerten, sie anzunehmen. Kein Funkruf von Henderson, das war die schreckliche Erkenntnis ihrer Ohnmacht.
Commander Brooks blieb die Nacht über auf dem Flugfeld. Als der Morgen dämmerte und der Wind nachließ, wußte er, daß Ric Henderson nicht mehr zurückkommen würde.
Auch im sowjetischen U-Boot-Hafen hatte sich die Unruhe vermehrt. Vizeadmiral Schesjekin saß im Radarraum, rauchte eine Papyrossa nach der anderen, obwohl er den grob geschnittenen Tabak haßte und lieber an einer armenischen Zigarre sog; aber die vorhandenen Kisten hatte er aufgeraucht, neue hatten die letzten Versorgungsschiffe nicht mitgebracht, und bis die nächsten eintrafen, konnten noch Monate vergehen.
Der Radarschirm blieb leer, der Computer schwieg. Kein flimmernder Punkt mehr. Keinerlei Bewegung auf dem Eis und in der Luft, nur die Wetterstation meldete starken Wind. Hier unten im eisüberdachten Fjord spürte man nichts davon, nur das Wasser war unwesentlich unruhiger. Der denkbar beste Hafen
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