Duell im Eis
zusammengeschweißt, daß jede Mühe sinnlos war. Sie ging zum Schlittenkasten, holte ein Beil heraus und hatte selbst mit ihm erst nach neun Schlägen den Knoten durchtrennt.
Sie ruhte sich wieder ein paar Sekunden aus. Sie schwitzte jetzt und spürte die Feuchtigkeit auf ihrem Körper, betrachtete noch einmal den Hubschrauber und den amerikanischen Stern an seinen Seiten, straffte sich dann und ging um ihn herum.
»Du schaffst es, Ljuba Alexandrowna«, sagte sie wieder zu sich. »Du willst es! Immer hat es dir bisher geholfen, dieses ›Du willst!‹. Und nun, Hubschrauber, bewege dich!«
Sie drückte von hinten mit aller Kraft gegen das Gestänge, stemmte die Beine in das Eis und stieß den Kopf vor. Langsam, ganz langsam glitten die Kufen über die glatte Fläche, rutschte der Hubschrauber auf die Kante des Plateaus zu, schob sich über die Kante hinweg, schwebte einen Augenblick über dem Meer, bis das Gleichgewicht überwunden war. Er kippte nach vorn weg, klatschte auf das Wasser, schwamm noch Minuten tanzend auf den Wellen, bis die Kabine sich vollgesaugt hatte und er mit der Glaskanzel zuerst wegtauchte und lautlos im Meer versank. Der Schwanzpropeller drehte sich sogar, bevor eine große Woge ihn in die Tiefe riß.
»Jetzt gibt es dich nicht mehr, Ric Henderson«, sagte Ljuba dumpf durch den mit Eiszapfen behangenen Gesichtsschutz. »Tot bist du, aber ich gebe dir ein anderes Leben.«
Sie fuhr mit dem Schlitten wieder zurück zu ihrem Haus, stellte ihn zwischen den Holzstößen ab, stolperte durch die Tür in den kleinen Vorraum und hieb mit den Fäusten das Eis von ihrem Pelzmantel, ehe sie ihn aufknöpfen konnte. Die Hitze im Haus war wunderbar. Noch während sie durch Wohnzimmer und Küche zum Schlafraum ging, warf sie Stück um Stück ihrer Kleidung ab und ließ sie auf dem Boden liegen, und als sie vor dem Bett stand, war sie nackt, ihre Haut war kalt, und aus den Haaren tropfte das schmelzende Eis.
Henderson lag auf dem Rücken, tief schlafend, wie sie ihn verlassen hatte. Die Decke war aufgeschlagen, jeder Atemzug wölbte seine muskulöse Brust. Mit glänzenden Augen betrachtete Ljuba ihn, kniete sich dann im Bett neben ihn und ließ ihre Hände über seinen Körper gleiten.
»Ganz mein bist du jetzt«, sagte sie leise. »Gehörst nur mir. Ein neues Leben hast du; alles, was war, gibt es nicht mehr. Nicht eine Spur bleibt von dir zurück.«
Sie legte sich an seine Seite, kuschelte sich in seine Armbeuge und gab sich dem Gefühl der Zärtlichkeit hin, bis sie einschlief.
Gegen Morgen flaute der Wind ab. Das Phänomen, das man auf diesem Eisberg schon mehrmals erlebt hatte, zeigte sich auch jetzt: Mit dem neuen Tag lichtete sich der Himmel, er wurde stahlblau, die Eisfelsen und bizarren Eisskulpturen glitzerten in blendender Reinheit, und eine strahlende, kalte Sonne beschien Meer und Treibeis und den Berg, als sei die Nacht klar und sternenhell gewesen.
Commander Brooks erwachte auf einem der harten Klappbetten, mit denen die Wachstube des Flugfeldes ausgestattet war.
Lieutenant Gilles rüttelte an seiner Schulter und meldete, als Brooks die Augen aufriß: »Sir, die Staffel steht bereit.«
»Was steht bereit?« Brooks richtete sich verschlafen auf und wischte sich mit beiden Händen über das Gesicht. Aber dann war er voll da, sprang vom Bett auf und verzichtete auf solche Grundpflege wie Waschen und Zähneputzen. »Keine Nachricht von Ric, Bob?«
»Nichts, Sir. Wir haben es vor zehn Minuten wieder versucht. Keine Reaktion.«
Brooks zog seine Pelzjacke an und fuhr in die dicken Fellstiefel. Das schmerzhafte Gefühl in ihm erschreckte ihn. Nein, nein, nein, sagte er zu sich. Denk nicht daran! Jag diesen Gedanken weg! Der Berg hat sich schon genug dafür gerächt, daß wir ihn besetzt haben. Cobb, Mulder, Virginia, genügt das nicht? Muß jetzt auch Ric dafür bezahlen? Ich weigere mich, daran zu denken! »Was halten Sie davon?« fragte er und zog den linken Stiefel hoch.
»Es sieht nicht gut aus, Sir.« Lieutenant Gilles drückte sich vorsichtig aus. Auch er scheute sich, die Wahrheit, die für ihn feststand, auszusprechen.
»Sie haben keine Hoffnung, Bob?«
»Man soll sie nicht kampflos aufgeben. Ich habe mir das mit der Eishöhle überlegt. Das könnte eine Chance gewesen sein, die Ric das Leben rettete. Die einzige Gefahr war das Erfrieren bei diesem Wind. Er kann ihn in einer Höhle überlebt haben.«
»Wenn nicht vorher –« Brooks sprach den Satz nicht zu Ende. »Gut. Er
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