Duell im Eis
geheime militärische Basis handeln.«
»So sehe ich das jetzt auch.« Pittburger schien tief Atem zu holen. Was er nun zu sagen hatte, widersprach den Vorstellungen des Präsidenten und dessen Lebenstraum vom ewigen Frieden mit den Sowjets. »Die Russen haben mitten im Frieden zwei amerikanische Staatsbürger widerrechtlich gefangen genommen und haben die Absicht, sie einfach verschwinden zu lassen. Auch wenn sie es mit der Begründung der Spionage tarnen, auf diesem Eisberg ist neutraler Boden. Der Eisberg ist nicht sowjetisches Staatsgebiet! Sie haben hier nichts zu suchen. Gar nichts! Die Gefangennahme ist also ein unfreundlicher Akt, den sich unser Land nicht gefallen lassen kann. Man sollte das deutlich zum Ausdruck bringen.«
»Und wie, Sir?« fragte Seymore und spürte ein Kribbeln im Nacken. Er ahnte, daß eine heiße Phase begonnen hatte.
»Machen wir den Sowjets klar, daß wir sie genau beobachten und immer gegenwärtig sind! Und daß wir Ric und Miß Allenby notfalls mit Gewalt herausholen werden.«
»Und wenn sie den Eisberg so heimlich und lautlos verlassen, wie sie gekommen sind, und die beiden mitnehmen?«
»Das zu verhindern ist Ihre, ist unsere Sache. Ungesehen kommt hier keiner weg.«
»Sie sind auch ungesehen gekommen, Sir.«
»Das konnte keiner ahnen. Aber jetzt wissen wir, daß sie da sind und wo sie sind. Und wenn sie sich als Pinguine verkleiden, nichts, kein Lebewesen darf den Berg verlassen ohne Kontrolle. Ist das klar?«
»Völlig klar, Sir.«
Am nächsten Tag demonstrierte Commander Brooks, wie die USA ihre ständige Gegenwart und Überwachung verstanden: Drei Jagdbomber überflogen im Tiefflug das wilde Eisgebirge, aus dessen Spalten der Dampf emporgestiegen war, und klinkten drei leichte Sprengbomben aus. Sie explodierten mit hellem Knall, rissen in die Eistürme drei kleine Krater und sprengten die Spitzen weg, aber sonst nahm der Eisberg es gelassen hin. Es war wie ein Ankratzen, das kaum Spuren hinterließ. Mehr sollte es auch nicht sein, nur eine Warnung.
Vizeadmiral Schesjekin dagegen rang nach Luft, verfärbte sich hochrot, und sein Stab wunderte sich, daß er nicht auseinanderplatzte wie ein beschädigter Überdruckkessel. In der Stadt im Eis spürte man kaum etwas von diesen Bomben, 400 Meter kompaktes Eis lag über ihr. Nur Malenkow nahm die Erschütterung wahr, starrte hinauf zu der gewaltigen, gewölbten Eisdecke und sah dann fragend Nurian an, der neben ihm stand. »Was war denn das?«
»Irgendwo ist wieder so eine Eissäule zusammengefallen.« Nurian machte eine wegwerfende Handbewegung. Er hatte sich an solche Erschütterungen gewöhnt. Der Eisberg arbeitete, das war ganz natürlich. »Was gibt es Neues, Jurij Adamowitsch? Wann kommt endlich die Ablösung?«
»Sie steht vor der Tür.« Malenkow blickte über den U-Boot-Hafen und die Piers aus Eis. Die Ablösung, das bedeutete das Ende des Kapitäns zur See Malenkow, des Helden der Sowjetunion, auch wenn Schesjekin nicht darüber sprach. Und es bedeutete gleichzeitig den Kampf um Virginia und ihre Rettung vor einem Arbeitslager in Sibirien. Gab es im Rußland der Perestroika eine neue Gnade?
Von Schesjekin hörte er nichts mehr: Er war aus dem inneren Kreis der Vertrauten ausgeschlossen worden. Zwar hatte man ihm das Kommando über die ›Gorki‹ noch gelassen, aber er wußte, daß er nach dem Anlegen an das Versorgungsschiff ›Minsk‹ sein U-Boot als Geächteter, als im voraus Verurteilter verlassen würde. Angst hatte er, wenn er daran dachte, nicht um sich selbst, sondern um Virginia, Ljuba und Ric, deren Namen und Existenz man auslöschen konnte.
Belastet mit diesen Gedanken kehrte Malenkow zu dem Haus der Berreskowa zurück. Es war warm in dem Haus im Eis, ja fast heiß, die Ölöfen glühten, und Ljuba stand in Höschen und BH in der Küche, rührte in einem Topf mit Nudelsuppe und vielen dicken Fleischstückchen, die ihr der Küchenchef Sumkow geschickt hatte. Auch einen Karton hatte er dazu gelegt mit einem saftigen Butterkuchen, extra für sie gebacken. »Ein lieber Mensch, dieser Anatol Viktorowitsch«, hatte Ljuba gesagt. »Nutzen wir es aus; das Essen in den kommenden Jahren wird weniger üppig und schmackhaft sein.«
Sie schliefen jetzt getrennt, Ric und Ljuba in ihrem Haus, Virginia und Malenkow in dessen Haus, aber den Tag über saßen sie zusammen bei Ljuba, spielten Schach oder Domino, hörten Musik von Schallplatten, und wenn Ljuba die Dritte Sinfonie von Beethoven oder das Klavierkonzert
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