Duell: Island Krimi (German Edition)
dir Schlager anhörst«, sagte er.
»Diesen kann man ja schlecht überhören. Sind das Männer, die da singen?«
»Ja, eine berühmte Band«, sagte Albert.
Er hielt vor dem Kino.
»Eigentlich nicht gut, dass ausgerechnet jetzt so etwas passiert«, sagte er, während er die Filmplakate in den Schaukästen des Kinos betrachtete.
»Dem Schachverband hilft es sicher nicht«, entgegnete Marian und stieg aus.
Alberts Bedenken galten einem Ereignis von Weltinteresse in Island. In Reykjavík wimmelte es derzeit von Reportern aus aller Herren Länder sowie von Vertretern der größten Nachrichtenagenturen, der Fernseh- und Rundfunkanstalten und der Zeitungen, die sich jetzt möglicherweise alle auf den Mord im Hafnarbíó stürzen würden. Außerdem hatten sich viele Schachstrategen und Schachanhänger aus den Vereinigten Staaten, der Sowjetunion und vielen anderen Ländern eingefunden, die sich nicht von der weiten Reise nach Island abschrecken ließen und sich den Flug geleistet hatten. Sie bereuten es nicht. Es schien, als würde die Menschheit mit angehaltenem Atem auf das Weltmeisterschaftsduell zwischen Bobby Fischer und Boris Spasski warten, auf das Match des Jahrhunderts, wie es inzwischen genannt wurde, das in Reykjavík stattfinden sollte. Island war seit der Besatzungszeit während des Zweiten Weltkriegs nicht mehr so in den Schlagzeilen gewesen.
Allerdings stand immer noch keineswegs fest, ob dieses Match überhaupt stattfinden würde. Weltmeister Boris Spasski war zwar bereits eingetroffen, doch der Herausforderer Bobby Fischer machte den Veranstaltern das Leben schwer, indem er praktisch jeden Tag neue Forderungen stellte, vor allem was die Preisgelder betraf. Er hatte bereits mehrere Flugzeuge in New York lange auf sich warten lassen und dann doch in letzter Minute abgesagt. Spasski dagegen war die Höflichkeit in Person, er machte sich nicht viel aus dem Wirbel, den Fischer veranstaltete, er sei nach Island gekommen, um Schach zu spielen. Alles andere ginge ihn nichts an, es sei absolut nebensächlich. Das bescheidene Auftreten des Weltmeisters hatte sogar bei den entschiedensten Gegnern des Sowjetregimes das Eis zum Schmelzen gebracht. Westliche Medien verstiegen sich zu der Behauptung, dass es sich bei diesem Weltmeisterschaftsduell um einen Kampf zwischen Ost und West handele, zwischen den freien, demokratischen Ländern und den unterdrückten Staaten des Ostblocks. In den Schlagzeilen der isländischen Presse wurde es auf den Punkt gebracht: KALTER KRIEG IN REYKJAVÍK .
Zeitweilig hatte auch der Konflikt zwischen Island und England wegen der Ausweitung der isländischen Hoheitsgewässer Schlagzeilen gemacht, denn die Briten hatten zum Schutz ihrer Trawler Kriegsschiffe in die isländischen Fischerzonen geschickt. Über die Scharmützel zwischen den isländischen Küstenwachbooten mit englischen Fregatten und Trawlern war weltweit berichtet worden, und nun kam noch die Schachweltmeisterschaft in Reykjavík hinzu.
Die Türen zum Kinosaal waren noch offen, als Marian Briem und Albert eintrafen. Vor dem Kino standen zwei Streifenwagen und ein Krankenwagen mit geöffneten Hecktüren. Auf dem Bürgersteig vor dem Kino befanden sich viele Menschen, diejenigen, die in die Siebenuhrvorstellung wollten, und andere, die für eine Karte für die Neunuhrvorstellung anstanden. Die Neugierigsten unter ihnen waren sogar bis ins Foyer vorgedrungen. Marian Briem scheuchte zunächst einmal die Polizisten aus dem Kinosaal, damit die Techniker von der Spurensicherung ungestört ihrer Arbeit nachgehen konnten, und sorgte dafür, dass die Eingangstüren geschlossen wurden. Unterdessen kümmerte sich Albert darum, dass die Leute vor dem Kino sich zerstreuten. Die Frau an der Kinokasse war zum Stand mit den Süßigkeiten gegangen. Auf ihre Frage, ob die Neunuhrvorstellung stattfinden könnte, teilte Albert ihr mit, dass es frühestens am nächsten Tag weitere Kinovorstellungen geben werde.
»Er ist so oft hier gewesen«, sagte die Frau, der anzusehen war, dass es ihr nicht gut ging. »So ein ganz Stiller. Ich begreife überhaupt nicht, wie jemand dazu in der Lage ist, einem Jungen wie ihm so etwas anzutun.«
»Kanntest du ihn?«, fragte Albert.
»Nein, das kann ich nicht sagen. Wie ich halt diejenigen so kenne, die häufiger ins Kino kommen. Er hat sich so gut wie alle Filme angeschaut. Es gibt noch ein paar andere, die das tun.«
»Kam er immer allein?«
»Ja, er war immer allein.«
»Ein paar andere, die was
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