Duell: Island Krimi (German Edition)
hereinkam.
Wie immer, wenn er sich verspätete, hatten die Kinobesucher bereits selbst die Türen geöffnet. Also ging er den Gang hinunter und schloss erst die rechte Tür, dann durchquerte er den Raum und machte auch die linke Tür zu. Die Siebenuhrvorstellung würde gleich beginnen, und die Besucher warteten ungeduldig darauf, in den Saal gelassen zu werden. Auf dem Weg zurück ins Foyer ließ der Platzanweiser seinen prüfenden Blick über die Reihen schweifen.
Im Halbdunkel des Raums sah er, dass offensichtlich jemand nach der Vorstellung nicht gegangen war.
Der Junge mit der Schultasche saß immer noch auf seinem Platz, war aber irgendwie auf den Sitz neben ihm gesunken, weshalb er kaum zu sehen gewesen war. Er schlief anscheinend fest. Der Platzanweiser kannte ihn vom Sehen, genau wie die anderen regelmäßigen Kinobesucher, die zur Gewohnheit hatten, entweder nur ganz bestimmte Vorstellungen zu besuchen oder sich auf ganz bestimmte Sitzplätze zu setzen. Dieser Junge kam oft ins Kino, ihm war es völlig gleichgültig, was für Filme gezeigt wurden, er schien sich für alles zu interessieren. Der Junge hatte ihn manchmal gefragt, welche Filme als nächste gezeigt würden oder ob er Fotos bekommen konnte und anderes Werbematerial. Er wirkte ein wenig einfältig, um nicht zu sagen zurückgeblieben für einen Jungen seines Alters. Und er kam immer allein.
Der Platzanweiser rief dem Jungen etwas zu.
Als der Junge nicht reagierte, ging der Platzanweiser durch die Reihe zu ihm hin, stieß ihn an und forderte ihn auf, den Saal zu verlassen, da gleich die nächste Vorführung beginnen würde. Wieder zeigte der Junge keinerlei Reaktion. Der Platzanweiser bückte sich und sah, dass die Augen des Jungen halb geöffnet waren. Er stieß ihn fester an, aber der Junge regte sich nicht. Schließlich fasste er ihn an der Schulter, um ihn hochzuziehen, spürte jedoch, dass der Körper ungewöhnlich schwer und leblos wirkte. Er ließ ihn wieder los.
Auf dem Boden lagen eine leere Popcorntüte und eine Flasche Limo.
In diesem Augenblick gingen die Lichter im Saal an. Da erst sah er die Blutlache auf dem Boden.
Zwei
In Marian Briems Büro stand ein Sofa. Eigentlich hatten die wenigsten Mitarbeiter bei der Kriminalpolizei Interesse an einem solchen Luxus. Und dieses Sofa war noch nicht einmal ein besonders luxuriöses Möbel. Im Grunde genommen war es also verwunderlich, wie viel Aufsehen es erregt hatte. Es war alt und verschlissen, und der dünne Lederbezug war an den Ecken abgeschabt. Mit seinen drei Sitzen und den bequemen Seitenlehnen war es geradezu ideal für einen Mittagsschlaf. Einige der älteren Mitarbeiter ergriffen heimlich die Gelegenheit, wenn Marian nicht in der Stadt war. Sie passten jedoch höllisch auf, denn Marian konnte es einem sehr übel nehmen, wenn man unerlaubterweise das Büro betrat. Das Sofa war lange Zeit Anlass zum Streit unter den Kriminalbeamten gewesen, denn etliche Mitarbeiter waren neidisch darauf und fühlten sich benachteiligt, weil schließlich für alle dieselben Regeln zu gelten hätten. Marian Briem kümmerte sich so gut wie gar nicht darum, und die Vorgesetzten sahen darüber hinweg, aus Angst davor, eine der fähigsten Kräfte bei der Kriminalpolizei zu verärgern. Die Diskussion flammte aber in regelmäßigen Abständen wieder auf, wenn neue Mitarbeiter kamen und sich wichtigmachen wollten. Irgendwann einmal war ein Neuling so weit gegangen, in seinem Zimmer, das er sich mit zwei anderen Kollegen teilte, ein Sofa aufzustellen, mit der Begründung, dass er genau wie Marian Briem ein Anrecht auf ein Sofa im Büro hätte. Schon nach wenigen Tagen war das Sofa des Neulings verschwunden, und er selber ebenfalls, er war zur Verkehrspolizei zurückversetzt worden.
Marian Briem hatte sich hingelegt und schlief fest, als Albert das Büro betrat, um zu melden, dass jemand im Hafnarbíó erstochen worden sei. Albert teilte sich das Dienstzimmer mit Marian, und an dem Sofa hatte er nie Anstoß genommen. Er war Anfang dreißig, hatte Familie und wohnte in einem vierstöckigen Wohnblock an der Háaleitisbraut. Nach seiner ersten Beförderung hatte man ihn in Marian Briems Büro einquartiert. Marian hatte zwar Einspruch dagegen erhoben, jedoch ohne Erfolg. Das Hauptquartier der Kriminalpolizei platzte aus allen Nähten, jeder Raum wurde bis auf den letzten Quadratzentimeter genutzt. In dem nicht sehr großen Haus waren sowohl die Kriminalbeamten als auch die Kriminaltechniker von der
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