Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dünengrab

Dünengrab

Titel: Dünengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
Vom Netzwerk:
Justin die Trense ab und band ihn mit der Führleine in der Boxengasse an. Sie trat einen Schritt zurück und musterte das Pferd. Sie hatte das Gefühl gehabt, dass Justin lahmte. Vielleicht ein Stein im Huf. Sie holte ihren Putzkasten und nahm für Justin ein Leckerchen heraus. Dann sah sie, dass auf ihrem Handy, das sie zwischen Hufkratzer und Kardätsche abgelegt hatte, ein Anruf eingegangen war. Die Nummer sagte ihr nichts. Als sie zurückrief, nahm Tjark Wolf ab.
    »Du hast etwas von Blutspuren erzählt – wo genau waren die auf der Straße?«
    »Etwa auf halbem Weg zwischen Werlesiel und Bornum, nicht weit von Fokko Broers Haus. Dort, wo ich auch den Schuh gefunden habe. Da, wo ich das Warndreieck aufgestellt habe.«
    »Heute Nachmittag sind wir ja nur vorbeigefahren. Jetzt würde ich mir die Stelle gerne genauer ansehen.«
    »Hm«, machte Femke und hielt Justin mit der freien Hand sein Leckerchen hin. »Muss ich das erst erlauben?«
    »Ich hätte dich gerne dabei.«
    »Mich? Heute noch?«
    »Natürlich.«
    »Aber es wird bald dunkel sein …«
    »… was nicht schlimm ist.«
    Femke wischte sich die Hand an der Reithose ab.
    »Holst du mich ab?«, fragte Tjark und erklärte in Femkes Denkpause hinein: »Fred ist mit meinem Wagen unterwegs.«
    Femke schob den Kopf von Justin zur Seite, der nach mehr Keksen verlangte. Wenn Fred mit Tjarks Wagen unterwegs war, hieß das wohl, dass er heute nicht in Werlesiel übernachtete. Das wiederum bedeutete, dass Tjark sie nicht nur als Taxi brauchte, sondern auch als Assistenz an einem potenziellen Tatort. Ermittlungsarbeit mit Tjark Wolf, dachte Femke, war das zu fassen? »Ich bin in einer halben Stunde da«, sagte sie.

12
    Tjark trat ins Freie, wo ihn auf der Hafenpromenade außer dem kühlen Abend mit seinem violetten Licht Femke empfing. In Reiterhose und Fleecejacke wartete sie neben einem Polizeiwagen und hielt sich gegen die Kälte selbst mit den Armen umfangen. Sie unterhielt sich mit einem Mann. Die beiden wirkten vertraut.
    Am Kai lief der Diesel eines Kutters. Die Möwen kreischten und machten sich über Fischabfälle her. Es roch nach einer Mischung von Abgasen, brackigem Salzwasser und Qualm, der von der Räucherei herüberwehte. Ein Lkw wurde entladen, der die Aufschrift »Werlesieler Bräu« trug. Aluminiumfässer rollten über das Straßenpflaster, wurden von Sackkarren angehoben und auf die Restaurants am Hafen verteilt.
    Tjark steckte sich eine Zigarette an. Dann ging er über die Straße zu Femke. Der Mann neben ihr mochte Anfang vierzig sein und wirkte ziemlich durchtrainiert. Er trug Jeans und schwarze Turnschuhe sowie einen Hoodie. Die Haare waren unter einer Baseballkappe mit dem Aufdruck »EagleEye Security« versteckt. Als er Tjark bemerkte, taxierte er ihn mit dem routinierten Blick eines Türstehers. Seine Augen waren hellblau, das Gesicht von der Sonne gebräunt und wettergegerbt, der Dreitagebart blond.
    »Hallo«, sagte Tjark und hob die Hand. Der Mann nickte ihm wortlos zu.
    Femke drehte sich um. Der Wind löste eine Strähne aus ihrem hochgesteckten Haar. »Hallo, Tjark. Das ist Ruven Stöver. Ruven, das ist Tjark Wolf.«
    Ruven lächelte und entblößte eine schmale Zahnlücke. »Der berühmte Polizist«, sagte er und streckte Tjark die Hand hin. Sie war groß und ihr Druck fest. Der Griff eines Seemanns.
    »EagleEye Security?«, fragte Tjark.
    »Ruven gehört eine Firma, die in Werlesiel und Umgebung vor allem Objektschutz betreibt«, erklärte Femke.
    Ruven fügte hinzu: »Wir machen den Sicherheitsdienst für den Fischereihafen und die Marinas in der Gegend, für die Fährparkplätze der Nachbarorte und einige Gewerbeareale.« Er deutete auf das Lütje Hus hinter Tjark. »Sie haben das beste Haus am Platz mit dem besten Ausblick erwischt. Nirgends ist das Treiben im Hafen so gut zu beobachten.«
    Tjark zog an der Zigarette. Auf den Ausblick hätte er verzichten können. Schiffe machten ihn unruhig, die Nähe zum Wasser ganz besonders. Er sagte: »Es duftet großartig auf den Fluren.«
    Ruven lachte, Femke lächelte. Die beiden sahen sich an, wie Menschen einander anschauen, die schon lange etwas miteinander teilen oder etwas miteinander geteilt haben. »Ilses Puddingteilchen«, erklärte Ruven, »sind legendär. Sie sollten eines probieren.«
    »Ilse ist meine Mutter«, erklärte Femke und strich sich die Strähne hinters Ohr, die der Wind sofort wieder löste. »Sie arbeitet unten in der Bäckerei.«
    »Verstehe.«
    Einen Moment lang

Weitere Kostenlose Bücher