Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dünengrab

Dünengrab

Titel: Dünengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
Vom Netzwerk:
haben eine enge und persönliche Beziehung zu ihrem Pferd und stellen es nicht gerne woanders unter.«
    Femke lächelte. »Du kennst dich aus, was?«
    »Nicht besonders, aber so viel habe ich mitbekommen.«
    »Deine Schwester?«
    »Meine Ex-Frau.« Tjark schwieg eine Weile. Dann fragte er: »War die Sache mit deinem Finger ein Reitunfall?«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Nur so eine Ahnung. Unwichtig.« Tjark machte eine abwinkende Geste.
    »Mein Pferd war damals noch sehr jung«, erklärte sie. »Ich habe die Zügel festgehalten, aber irgendetwas hat Justin scheuen lassen. Es gab einen heftigen Ruck, und ein Teil meines Fingerglieds wurde fast abgerissen. Man musste es amputieren. Es ist lange her, noch bevor ich zur Polizei ging. Bei der Aufnahmeprüfung war ich bereits so sehr daran gewöhnt, dass links und rechts für mich im Prinzip keinen Unterschied mehr machten.«
    »Im anderen Fall hätten sie dich nicht genommen.«
    »Ich denke nicht.«
    Tjark griff in seine Innentasche und zog eine grüne Packung hervor. »Kaugummi?«

14
    Femke hatte den Wagen auf dem Seitenstreifen abgestellt und den Warnblinker eingeschaltet. Sie lehnte am Kofferraum und vergrub die Hände in den Jackentaschen. Die Schalterrelais tickten leise. Das Riedgras raschelte im Wind mit den Hagebutten- und Sanddornbüschen des Uferstreifens um die Wette. Über ihr breitete die Milchstraße ihr silbernes Band aus. Vor ihr stand Tjark auf der Straße und sah sich um. Femke hatte keine Ahnung, was er vorhatte. Die Nacht war zwar hell, aber dennoch würde er die Spuren tagsüber weitaus besser begutachten können.
    Tjark hockte sich neben das Warndreieck am Seitenstreifen, wo Femke den roten Schuh gefunden und die möglichen Blutspuren markiert hatte. Schließlich erhob er sich und ging einige Meter, um den Bremsstreifen zu betrachten.
    »Femke?«
    Femke stieß sich mit der Hüfte vom Wagen ab und ging zu ihm. Tjark nestelte an seiner Umhängetasche, öffnete deren Reißverschluss und nahm zwei Taschenlampen heraus. Nein, das waren keine Taschenlampen. Die Geräte wirkten auf den ersten Blick zwar wie Maglites, waren im vorderen Bereich aber weitaus klobiger und verfügten über etwas wie Filterhalter vor der Linse. Tjark drückte ihr eine davon in die Hand. Sie war schwer.
    »Sind das Tatortleuchten?«, fragte sie.
    Tjark nickte. »Schon mal mit einer gearbeitet?«
    »Nicht mit diesen Modellen. Die ich in der Ausbildung kennengelernt habe, hatten Akkupacks und Schultergurte.«
    »Das hier«, Tjark wedelte mit der Lampe, »sind nicht die Geräte, mit denen die Spurensicherung arbeitet, aber sie erfüllen ihren Zweck. Ihr UV -Licht macht Faser-, Blut- und andere Spuren sichtbar – je nachdem, welchen Filtervorsatz man benutzt. Bekommt man alles im Internet.«
    Tjark schaltete seine Leuchte ein. Femke kniff die Augen etwas zusammen, als die Straße in gespenstisches lilafarbenes Licht getaucht wurde. Dann schaltete sie ihre Lampe ebenfalls ein, und die Straße gab ihre Geheimnisse preis. Verwirrende Muster waren zu erkennen, wie auf einem fleckigen Tischtuch, das seit Jahren nicht mehr gewaschen worden war.
    »Blut«, erklärte Tjark weiter, »wirst du in diesem Licht als sehr helle Stellen erkennen. Wenn wir im Zweifel sind, haben wir noch das hier.« Femke blickte auf und erkannte eine kleine Sprühflasche in Tjarks Hand.
    »Ist das Luminol?«
    »Etwas in der Art. Das Fixativ macht auch sehr schwache Spuren sichtbar.«
    »Du bist gut ausgerüstet.«
    »Es ist zweckmäßig, ein paar Dinge bei sich zu haben, wenn keine Kriminaltechniker zur Stelle sind.«
    Femke leuchtete auf die Straße. »Bekommst du keinen Ärger, wenn du an einem Tatort Spuren sicherst?«
    »Doch, durchaus.«
    Femke lachte.
    Tjark schmunzelte. »Aber noch haben wir keinen Tatort und keine Spuren, die wir sichern müssten.«

15
    Knut Mommsen marschierte neben den kupfernen Braukesseln auf und ab. Sie sahen aus wie riesige, auf den Kopf gestellte Trichter. In ihrer blank polierten Oberfläche spiegelten sich die Deckenbeleuchtung und Mommsen selbst wie ein Zerrbild. Kurz blieb er stehen, betrachtete sein in die Breite gezogenes Gesicht, was ihn ein wenig wie den Joker aus »Batman« aussehen ließ und nicht mehr wie den Landadligen mit den Tränensäcken eines Bassets, der ihn morgens beim Rasieren anglotzte. Mommsen strich mit der flachen Hand über die grau umkränzte Halbglatze, richtete den Schlips und zog das Handy aus der Tasche seines blauen Zweireihers mit den goldenen

Weitere Kostenlose Bücher