Dünengrab
mich ein wenig ausgiebiger mit dir befassen. Du hast Potenzial, Vikki, du bist anders als die anderen. Aber darauf solltest du dir nichts einbilden. Dir bleibt zwar noch ein wenig Zeit, um mir eine ehrliche Antwort auf meine Frage zu geben. Aber am Ende wirst auch du versagen.« Er zuckte mit den Achseln. »Und dann kommst du dahin, wo die anderen sind.«
Vikki erstarrte. Sie keuchte. Die … anderen?
»Aber mit dem Respekt hast du vollkommen recht«, fuhr der Mann fort, »und es wird Zeit, dass du ihn mir entgegenbringst. Du hattest deine Chance zu tun, was dir gesagt wird.« Er griff in seine Jacke und zog das Messer hervor. »Hallo, Mr. Dildo«, sagte der Mann. Und dieses Mal lächelte er wirklich.
49
»Hast du überhaupt eine Ahnung davon, was ich hier mache? Das ist reinste Spurenanalyse. Ich muss vollkommen verrückt sein, dass ich mich darauf einlasse.«
Tjark hörte Fee beim Schimpfen zu, während sie in ihrem weißen Laborkittel an irgendwelchen Gerätschaften hantierte. Eine davon war ein Massenspektrograf, die andere ein Elektronenrastermikroskop, so viel wusste er. Was man damit machte und wozu der Rest diente – keine Ahnung. Fees Chucks machten schmatzende Geräusche, während sie hin und her lief. Die Ziffern einer Digitaluhr zeigten 22.54 Uhr an.
»Ich könnte mit einem Eis vorm Fernseher sitzen und › CSI‹ gucken. Oder in einem Biergarten mit einem atemberaubenden Latino. Oder, oder, oder … Und was mache ich blöde Kuh stattdessen?«
»Etwas wieder gut, weil du immer noch ein schlechtes Gewissen hast.«
»Pff.« Sie blieb stehen und hielt den Beweismittelbeutel hoch. »Das hier muss eigentlich zum LKA nach Hannover, das weißt du, das weiß ich – und das Schlimme ist: Das wissen alle anderen auch.«
Tjark winkte ab. In dem Beutel befanden sich der Briefbogen und der Umschlag, der an seiner Windschutzscheibe geklemmt hatte. Er hatte beides auf Fingerabdrücke und auf Stellen untersucht, an denen sich etwas beim Schreiben durchgedrückt haben konnte. Er hatte nichts gefunden. Aber irgendetwas musste da sein. Niemand schickte eine Botschaft ohne Botschaft – und wenn lediglich der Brauerei-Briefkopf die Nachricht sein sollte, dann hätte der Absender auch einen Bierdeckel nehmen können.
»Es wissen ebenfalls alle«, sagte Tjark zu Fee, »dass solche Beweismittel tagelang in den Labors herumliegen, ihr in der Rechtsmedizin aber zertifiziert für DNA -Analytik oder Tox-Gutachten und vor allem schneller seid.«
»Hetz mich bloß nicht. Ich kann nur unter Stress arbeiten, den ich mir selbst mache.«
»Dann leg mal los.«
»Forensische Molekularbiologie setzt voraus, dass es überhaupt biologische Spuren gibt, und toxikologische, dass es …« Fee unterbrach sich selbst, während sie einen neuen Test vorbereitete. »Ist dir doch eigentlich völlig egal, oder?«
»Exakt.«
»Warum wusste ich das bloß?«
»Ich will wissen, was mit dem Brief ist. Wenn du nichts findest, kann ich ihn immer noch zum LKA schicken. Es ist halt nur so, dass …«
»… die Zeit drängt, ich weiß. Und wir sind danach dann aber so was von überquitt.« Fee warf Tjark einen grimmigen Seitenblick zu.
Tjark lächelte schwach. »Die Erfolgsprovision wäre eine Fußmassage.«
Fee atmete tief ein und aus. »Ich mache ja schon.« Sie widmete sich dem Beproben und blickte dazwischen immer wieder auf Digitalanzeigen und den Bildschirm eines Laptops. Minuten später piepte ein Gerät. Fast gleichzeitig ging die Tür auf, und eine junge Frau mit streng nach hinten gebundenen Haaren kam herein. Es war die DNA -Analytikerin, der Fee bereits vorher den Briefbogen und den Umschlag zur Untersuchung gegeben hatte. Jetzt reichte sie Fee einige Computerausdrucke und verschwand so still, wie sie gekommen war. Fee überflog die Papiere und lud etwas auf den Computer. »Könntest du das mit der Massage noch etwas konkretisieren?«
»Hast du was gefunden?«
Fee streckte sich angestrengt, wobei sie sich mit beiden Händen ins Kreuz fasste. »Ja, und es ist keine Geheimtinte verwendet worden. Wenngleich es vielleicht irgendwie so gedacht gewesen ist.«
Tjark sah sie verständnislos an. Fee deutete auf den Bildschirm. Darauf waren Diagramme und kryptische Abkürzungen zu sehen. »Der Briefumschlag ist spurenfrei. Auf dem Blatt allerdings befindet sich Speichel. Es scheint, als habe jemand über das Papier geleckt.«
»Lässt sich sagen«, fragte Tjark und spürte ein heißes Brennen und Stechen in der Brust, »von wem der
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