Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Duenenmond

Duenenmond

Titel: Duenenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
Vom Netzwerk:
Worte auszusprechen. Es tat immer noch weh.
    »Ach, das tut mir aber leid.« Jette strich gedankenverloren die Kittelschürze glatt, die sie trug. Jo hätte zu gern gewusst, welche Erinnerungen ihr gerade durch den Kopf gingen.
    »Er hatte Krebs. Es ging ziemlich schnell.«
    Jette nickte langsam. »Darauf müssen wir doch etwas trinken. Setzen Sie sich, Josefine.«
    Eigentlich wäre sie gern nach draußen gegangen. Hier drinnen war es zu warm und zu stickig. Trotzdem setzte sie sich an den kleinen Zweiertisch, auf den Jette mit einer Kopfbewegung gedeutet hatte.
    »Wir ham uns schon gewundert, dass er nicht mehr gekommen ist, der Otto«, sagte Jette, die zu Jos Entsetzen mit zwei kleinen Gläsern und einer Flasche Sherry zurückkam. Sie setzte sich und schenkte ein.
    »Den hat er gerne gemocht«, erklärte sie lächelnd, während sich die bräunlich-violette Flüssigkeit in die Gläser ergoss und ein Geruch nach Waldbeeren und Kirschen in Jos Nase stieg. Jette hob ihr Glas und hielt es Jo über dem Tisch entgegen: »Prosit! Auf den Otto. Nu kann er den ganzen Himmel malen.«
    Jo schluckte. Sie prostete ihr ebenfalls zu und trank.
    »Das ist aber eine Freude, dass ich Sie nu doch noch kennenlernen kann. Wissen Sie, Deern, ich hab immer gedacht,irgendwann bringt er sein Mädel mal mit. So, wie der von Ihnen geschwärmt hat …« Sie zwinkerte ihr fröhlich zu, trank aus, fuchtelte mit der Hand, was vermutlich bedeuten sollte, dass auch Jo ihr Glas zu leeren hatte, und schenkte auf der Stelle nach.
    »Er hatte wohl Angst, dass wir ihn beim Malen stören.«
    »Wir? Haben Sie denn Geschwister?«
    »Nein, aber eine Mutter.«
    »So?« Jette riss staunend die Augen auf.
    »Na, der Storch hat mich nicht gebracht.« Jo lächelte.
    Jette klopfte sich auf den Oberschenkel und lachte aus voller Seele. Ihre grauen, in ordentliche Wellen gelegten Haare wippten.
    »Nee«, sagte sie, als sie wieder zu Atem kam, »das funktioniert in der Stadt wohl auch nicht anders als hier bei uns.«
    Jo nickte und nippte an dem Sherry. Ihr Vater hatte Geschmack. Die Sorte war fruchtig, kräftig und hatte eine leichte Holznote. Holzfassgelagert vermutlich.
    »Drollig«, meinte Jette nun, »wir dachten immer, er ist geschieden, oder seine Frau ist früh gestorben, weil er nie ein Wort über sie gesagt hat. Aber von Ihnen hat er ständig gesprochen.«
    »So?« Nun war es Jo, die zweifelte.
    Jette begann zu erzählen, von einem Mann, der stundenlang schweigend am Hafen mit seiner Staffelei stehen konnte. Wenn er dann am Abend in die Pension kam, brachte er manchmal ein bis in das kleinste Detail ausgearbeitetes Gemälde mit. Dann wieder waren nur Striche auf der Leinwand zu erkennen, kaum mehr als eine Skizze, wenn überhaupt.Bei Vollmond ging er nachts los, Palette und Farben unter den Arm geklemmt.
    Jo sah seine Darstellungen des Mondes über den Dünen vor sich, eines seiner Lieblingsmotive.
    »So still und in sich gekehrt wie er sein konnte, so lustig war er manches Mal.« Es folgten Schilderungen von jemandem, der das gesamte Lokal unterhalten konnte, der in den Häusern der ansässigen Künstler ein und aus ging und schon am Vormittag einen Sherry trank, um in die richtige künstlerische Stimmung zu kommen, wie er es genannt hatte. Jo konnte nur schwerlich eine Ähnlichkeit zwischen dem Mann aus Jettes Beschreibungen und ihrem Vater feststellen.
    »Und wenn dann die Musiker da waren, war er gar nicht mehr zu bremsen.« Jette goss noch einmal ein. »Die ganze Nacht hat er manchmal getanzt.«
    »Getanzt? Mein Vater hat getanzt?« Sie versuchte sich zu erinnern, wann sie ihn das letzte Mal beim Tanzen gesehen hatte, ob überhaupt jemals.
    »Oben in dem Appartement, in dem er immer gewohnt hat, hängt noch ein Bild von ihm. Das hat er mir geschenkt.« Jette strahlte. »Damit du mich nie vergisst und mir immer meine Bude frei hältst, hat er zu mir gesagt.« Wieder nickte sie ganz langsam und bedächtig. Dann hellte sich ihr Gesicht auf. Etwas schien ihr eingefallen zu sein. »Da wohnt nu ein Pärchen. Aber die sind unterwegs. Hab sie vorhin mit den Rädern wegfahren sehen. Wollen Sie das Bild mal sehen?«
    »Gern, wenn das möglich ist.« Jo interessierte sich weniger für das Bild. Aber das Apartment würde sie wirklich gern einmal anschauen.
    »Na klar!«
    Wenig später standen sie vor einer schlichten Tür aus Kiefernholz, und Jette klopfte.
    »Nur zur Sicherheit«, erklärte sie.
    Als sich nichts rührte, schloss sie auf. Jo fiel sofort das

Weitere Kostenlose Bücher