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Duenenmond

Duenenmond

Titel: Duenenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
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zu kommen. Kaum, dass sie umgezogen und frisiert war, klopfte der Zimmerservice.
    Jo setzte sich an den kleinen Tisch, der direkt am weit geöffneten Fenster stand. Sie goss sich einen Schluck Wein ein, probierte und schenkte das Glas voll. Von der See wehte eine salzige Brise herein, die hervorragend zu den Garnelen passte, wie Jo fand. Sie ließ es sich schmecken. Der Cocktail war sündhaft teuer, aber jeden Cent wert. Als sie das Steak und die Kartoffeln von der Warmhalteplatte nahm, hatte sie bereits zwei Gläser Wein getrunken. Der Schwips des Vormittags hatte ihr Lust auf mehr gemacht. Außerdem konnte sie einen kleinen Rausch gut gebrauchen auf ihrer Reise in die Vergangenheit.
    Längst war die Luft kühler, die hereinkam, brannten draußen auf der Terrasse Fackeln, brach die Nacht herein. Höchste Zeit, ins Bett zu gehen, dachte Jo. Oder sollte sie noch auf einen Schlummertrunk in die Bar gehen? Sie griff nach der Weinflasche und stellte überrascht fest, dass sie leer war.
    »Hoppla«, sagte sie und kicherte. »Da haben Sie aber schwer zugeschlagen, Fräulein Niemann!« Ihre Zunge war schwer, und sie hatte echte Probleme, die Worte zu formen. Darüber konnte sie sich kaputtlachen. Sie lehnte sich aus dem Fenster und holte tief Luft. »Ach, ist das schön hier!«, sagte sie inbrünstig. Dann ließ sie sich wieder in den Ohrensessel fallen. Nein, heute noch auszugehen, war keine gute Idee. Sie gehörte eindeutig ins Bett. Dummerweise drehte sich das in schwindelerregendem Tempo. Und müde war sie auch nicht. Von ihrem Bett aus konnte sie den Mond sehen. Er war gelb mit dunklen Flecken wie ein Stück Bananenschale und rund wieein Apfel. Schade, dass Jan jetzt nicht da war. Es war so ein romantischer Abend. Blödsinn, er fehlte ihr einfach. Das hatte nichts mit dem albernen Mond zu tun. Er würde ihr auch fehlen, wenn es jetzt in Strömen regnete. Zwei Tage hatte sie ihn nicht gesehen, die kurze Begegnung an der Rezeption am Vortag nicht mitgerechnet. Sie könnte zu ihm gehen, jetzt, ihm gehörig den Kopf waschen für das, was er gesagt hatte. Danach würden sie sich unter dem Vollmond versöhnen und vielleicht sogar miteinander schlafen. Sie seufzte. Wenn nur das Bett still stehen könnte. Sie setzte sich auf.
    »Also so ein gelber Mond«, murmelte sie. »Das glaubt einem ja keiner.« Wahrscheinlich hatte es überhaupt nichts mit Romantik zu tun gehabt, wenn ihr Vater Sonnenuntergänge oder den Dünenmond gemalt hatte. Er hatte einfach keinen Fotoapparat gehabt. So war es. Sie kicherte wieder. Und diese Farben hier glaubten einem die Leute wirklich nur, wenn sie sie sahen. Sie musste diesen Mond einfach malen. Jetzt sofort. Die Versöhnung konnte warten.
    Jo stolperte ein paar Mal auf dem Weg zum Hafen. Es war stockfinster. Einmal fiel ihr sogar der Kasten mit den Farben scheppernd auf den Boden. Sie bückte sich danach und verlor fast das Gleichgewicht.
    Stühle und Tische vor dem Räucherhaus waren bereits eingeräumt. Kein Mensch war zu hören oder zu sehen. Nur die Grillen sangen noch ihre Lieder, und das Wasser schlug glucksend an die Schiffe und den Steg. Jo legte ihre Utensilien auf einem Stromkasten ab. Sie hatte vorgehabt, die Aldebaran in diesem einmaligen Licht zu malen. Aber natürlich waren dieSegel sorgfältig aufgerollt und an den Masten festgebunden. Nein, so hatte sie sich das nicht vorgestellt. Also doch die Dünen. Bevor sie Block und Farben packte, stand sie still und schaute hinauf zum Himmel. Millionen winzige Lichter blinkten über ihr. Wann hatte sie in Hamburg zum letzten Mal einen solchen Sternenhimmel gesehen?
    Während sie sich nicht satt sehen konnte, schliefen die Schiffe in dem kleinen Hafen längst friedlich. Für sie war dieser Anblick nichts Besonderes, sie wurden jeden Abend von den Grillen in den Schlaf gesungen und von einem solchen Firmament zugedeckt.
    »Ach, Papa«, flüsterte sie. »Wenn wir doch zusammen hergekommen wären. Nur wir beide. Nur einmal.« Da stand sie, den Kopf in den Nacken gelegt, und meinte plötzlich, einen Stern zu sehen, der größer wurde und immer stärker leuchtete. Leise fing sie an zu singen: »Papa, can you hear me? Papa, can you see me? Papa, can you find me in the night?« Ihre Stimme klang hell und klar, wie ein Licht, das dem dort oben antwortete. »Papa, are you near me? Papa, can you hear me? Papa, can you help me not be frightened?«
    Ein lautes Poltern weckte sie. Jo wusste nicht gleich, wo sie war. Sie erkannte eine Nische mit einem

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