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Duenenmond

Duenenmond

Titel: Duenenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
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Schultern hängen. Mit Widerstand hatte sie nicht gerechnet.
    »Ich kann Ihnen einen Kamillentee bringen lassen«, schlug die blonde Frau vor. »Wer weiß, vielleicht geht es Ihnen nach ein, zwei Tagen Bettruhe schon besser. Wäre doch schade, Ihren Urlaub abzubrechen.«
    »Ich überlege es mir«, murmelte Jo und schlich zurück zu ihrem Zimmer. Inzwischen hatte es in ihrem Bauch zu grummeln und zu glucksen angefangen. Die Aktivität in ihrem Gedärm steigerte sich hörbar. Nun kamen auch krampfartige Schmerzen dazu. Der Obstsalat! Jo ließ sich auf ihr Bett fallen. Wenn das Zeug verdorben war, konnte sie mit der Lebensmittelbehörde drohen. Dann würde man sie schon gehen lassen, ohne ihr horrende Stornogebühren abzuverlangen. Noch besser: Sie würde das Hotel verklagen! Wegen entgangener Urlaubsfreude. Sie stellte sich vor, wie sie sich in die Küche schleichen und den Salat, das Corpus Delicti sozusagen, sicherstellen würde. Jo grinste. Zumindest ihren Humor hatte sie noch nicht verloren. Das Bauchgrimmen leider auch nicht.
    Sie war nicht nach einer dreiviertel Stunde an der Rezeption erschienen, um den Direktor zu sprechen. Sie wäre gar nicht rechtzeitig von der Toilette gekommen und nahm das als Zeichen. Jetzt baumelte an ihrer Zimmertür das Bitte-nicht-stören -Schild, und sie lag, alle Fenster weit geöffnet, unter dem Laken, das bei diesen Temperaturen die Bettdecke ersetzte. Immer wieder nickte sie ein, zwischendurch schnappte sie sich ihr Buch und las ein paar Seiten. Einmal hörte sie Schritte auf dem Flur, die näher kamen. Sie hielt den Atem an und lauschte konzentriert. Ganz sicher würde es gleich klopfen. Doch nach einer kurzen Weile entfernten sich die Schrittewieder. Bestimmt das Zimmermädchen, redete Jo sich ein. Sie bekam Appetit auf Milchkaffee, traute sich aber noch nicht, nach unten zu gehen und einen zu bestellen. Kurz dachte sie darüber nach, ihn aufs Zimmer bringen zu lassen, entschied sich dann aber dagegen. Sie wollte niemanden sehen.
    Jo schaute, das Buch aufgeschlagen auf ihrem Bauch, aus den Fenstern. Blickte sie rechts hinaus, sah sie eine vom ständigen Wind an den Hang gedrückte Kiefer. Das halbrunde Fenster gegenüber dem Bett dagegen wies auf den Strand und die Ostsee. Das Kreischen der Kinder, Rufen der Eltern, das alles untermalende Rauschen der Wellen, ab und zu das Geräusch eines vorüberfahrenden Autos und das Schreien der Möwen drangen zu ihr herauf. Und am Nachmittag aus weiter Ferne der Klang eines Glöckchens. Jo schloss die Augen. Sie brauchte nicht an das Fenster zu laufen, um ihn vor sich zu sehen, wie er den Eiswagen durch den Sand schob. Sie sah seine Augen, das dicke störrische Haar, das Kinn mit dem Grübchen, das ihr erst jetzt in der Erinnerung so richtig auffiel. Sie mochte ihn mehr, als sie geplant hatte, und das ärgerte sie. Vor allem bedrückte es sie, dass er so schlecht von ihr dachte. Es war gut, wenn sie nicht abreiste oder das Hotel wechselte. Das käme einem Schuldeingeständnis gleich, doch sie hatte sich nichts zuschulden kommen lassen. Sie würde bleiben, mitten in seinem Revier, genau vor seiner Nase. Ihr blieb noch eine volle Woche, und die würde sie genießen. Basta!
    Im Tourismusbüro, in dem Jo am ersten Tag die Postkarten gekauft hatte, herrschte reger Betrieb. Ein Kind quengelte, zerrte an der Hand der Mutter, die jedoch nicht darauf reagierte.Der kleine Junge musste mehr tun, um Aufmerksamkeit zu erregen. Er begann zu schreien. Normalerweise hätte Jo sein stimmgewaltiges Gezeter nur schwer ertragen können. Noch schlechter wäre sie mit dem Verhalten der Mutter zurechtgekommen, die ihren Junior aus voller Brust schreien ließ, während sie sich in aller Ruhe über Fährverbindungen und Bustarife informierte. Doch an diesem Tag war alles anders. Jo hatte beschlossen, gute Laune zu haben, und war nach den vielen Stunden im Bett ausgeschlafen und entspannt. Es gab eine Spielecke für Kinder mit Bilderbüchern, ein paar Autos und einem schon ein wenig zerschlissenen Plüsch-Seehund.
    Jo griff das Stofftier und begann, damit auf dem kleinen Kindertisch herumzuschwimmen. Sie ließ den Seehund hinter der Tischkante abtauchen und dann wieder gerade soweit aus dem imaginären Wasser kommen, dass die Barthaare – es waren nur noch drei – über den Rand des Kindertischchens lugten. Das Schreien ebbte ab. Jo stellte fest, dass dem Knirps Schweißperlen auf der Stirn standen. Seine Wangen glühten rot. Ihm war langweilig und vor allem

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