Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Duenenmond

Duenenmond

Titel: Duenenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
Vom Netzwerk:
wohnte.
    »Du weißt schon, der aus diesem kleinen hässlich grau verputzten Häuschen. Gott sei Dank hat er sich bei dem Sturz nicht verletzt, nur ein bisschen Haut ist abgeschürft. Da hat er noch einmal Glück gehabt!« Sie fragte Jo nicht mit einer Silbe nach ihrem Hotel oder danach, ob es ihr gefiel. Das war ein ganz und gar untypisches Verhalten ihrer Mutter, die sonst jede Einzelheit über fremde Orte und das Befinden ihrer Tochter hören wollte. Jo wusste, warum sie sich in diesem Fall so verhielt, und akzeptierte es.
    Eine Weile hörte sie ihr zu, dann sagte sie: »Ich will auch gar nicht so lange sprechen. Mein Eis schmilzt sonst. Wollte mich nur mal melden.« Nach einer kurzen Pause setzte sie hinzu: »Sag mal, weißt du eigentlich noch, wie die Pension hieß, in der Papa immer gewohnt hat?«
    Stille am anderen Ende der Leitung.
    »Ich dachte, ich könnte mal vorbeigehen, wenn ich schon in der Gegend bin«, ergänzte Jo eilig und so beiläufig, wie sie nur konnte.
    »Pension am Hafen«, kam es frostig zurück. Dann verabschiedete ihre Mutter sich schnell.
    Der Gedanke, ihr Vater könne in ihrem Familienleben etwas vermisst haben, über die alljährlichen Auseinandersetzungen, seine Fluchten genauso unglücklich gewesen sein wie Jo und ihre Mutter, ließ sie nicht mehr los. Es wurde Zeit, ihren Frieden mit ihm zu machen, und sie hoffte von Herzen, dass sie ihn wenigstens ein wenig besser verstehen würde, wenn sie hier auf dem Darß seinen Spuren folgte. So bummelte sie die Althäger Straße entlang, zum Hafenweg und bis zum Althäger Hafen, wo die Pension war. Der Wind wehte nur lau und schaffte es kaum, die Boote in Bewegung zu versetzen. Selbst der Stoff der Sonnenschirme, die den Tischen vor dem Räucherhaus Schatten spendeten, wiegte sich nur leicht hin und her.
    Die Aldebaran lag im hellen Sonnenlicht. Sönke war nicht zu sehen. Jo verdrängte die Erinnerung an den wunderschönen Ausflug. Stattdessen überlegte sie, nach einem kleinen Geschenk für Sönke Ausschau zu halten, mit dem sie sich bei ihm bedanken konnte. Sie betrat das Restaurant, zu dem die Pension am Hafen gehörte. Am Tresen stand ein junger Mann mit rötlichem Haar, das er von den Ohrläppchen abwärts bis zum Nacken blond gefärbt trug. Über dem Scheitel prangte ein Hahnenkamm.
    »Hi«, sagte er gelangweilt.
    »Hi.« Jo zögerte. Was wollte sie hier eigentlich genau? Wie sollte sie diesem Jungspund erklären, dass sie auf Spurensuche war? »Sie vermieten doch auch Zimmer, richtig?«, begann sie.
    »Jepp! Kleinen Moment mal. Da hole ich mal die Jette.« Ohneeine Reaktion abzuwarten, ließ er Jo stehen, ging zu einem Durchgang, der hinter dem Tresen offenbar in die Küche führte, hielt sich mit einer Hand am Türrahmen fest und beugte sich weit vor, ein Bein hoch in der Luft. »Oma!«, rief er. »Kommst du mal? Da will jemand ein Zimmer.« Wiederum ohne die Antwort seiner Großmutter abzuwarten, schlurfte er zurück zum Tresen. »Kommt«, sagte er und kümmerte sich um die Gläser.
    Wenig später tauchte eine rundliche Frau in dem Türrahmen auf.
    »Guten Tag, junge Frau«, sagte sie mit einer wundervoll knarzigen Stimme, die einer Märchenerzählerin zur Ehre gereicht hätte. »Sven ist aber manchmal auch tüdelig. Er hätte Ihnen man gleich sagen können, dass wir nix frei haben.«
    Aha, der Hahnenkamm hieß also Sven.
    »Das macht nichts. Ich bin gar nicht hier, um ein Zimmer zu mieten.« Jo betrachtete das runde Gesicht eingehend. Es war gerötet, von unzähligen feinen Adern durchzogen. Die Augen waren von Lachfältchen eingerahmt, und Jette hatte den gütigsten Blick, den man sich überhaupt nur vorstellen konnte. Wenn Jo sich eine Großmutter hätte wünschen dürfen, hätte sie genauso aussehen müssen wie diese Frau hier.
    »Ach, was wollen Sie denn sonst, Deern?«
    »Mein Name ist Josefine Niemann. Mein Vater war früher regelmäßig Gast bei Ihnen.«
    »Der Otto? Otto Niemann, ist das Ihr Vater?«
    Jos Herz machte einen Hüpfer. »Ja.«
    Die Alte sah sie lange an, als versuche sie, eine Ähnlichkeit zu entdecken. »Das ist eine Überraschung«, sagte sie schließlich. »Möchten Sie etwas trinken?«
    »Nein, danke, ich wollte eigentlich nur fragen, ob ich mir mal das Zimmer ansehen kann, in dem er gewohnt hat.«
    Die Verwunderung über dieses Anliegen war Jette deutlich ins Gesicht geschrieben. »Ist ihm was passiert?«, fragte sie.
    »Er ist gestorben, schon vor einem Jahr.« Jo konnte sich schwer daran gewöhnen, die

Weitere Kostenlose Bücher