Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Duenenmord

Duenenmord

Titel: Duenenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Peters
Vom Netzwerk:
keine Antwort auf ihre Frage, stand auf und verließ das Besprechungszimmer mit wuchtigen Schritten.
    Romy atmete einmal kräftig aus. »Mach weiter, Max«, sagte sie schließlich. »Versuch, was zu dem Bäsler zu finden, und ruf mal in Greifswald an, ob sich da schon jemand intensiver mit PC und Handy beschäftigt hat.«
    »Alles klar.« Er zog einen Zettel aus seinem Hefter. »Das Sicherheitsunternehmen findet ihr im Gewerbepark Sassnitz, an der L 29 in Richtung Alt-Mukran.«
    »Wie passend.«
    »Und Heise ist im Büro.«
    »Woher weißt du das?«
    »Ich habe angerufen und mich erkundigt, ob heute jemand da ist.«
    »Max?«
    »Ja?«
    »Klasse, dass du uns die Infos so schnell aufbereitet hast.«
    Max lächelte. »Das ist mein Job. Und ich mag ihn.«
    Der Name hatte ihr schon als Kind gefallen: Schabernack. Ein Ortsteil von Garz, wenige abgelegene Häuser, zwischen Garz und der Halbinsel Zudar gelegen. Im Frühling und Sommer blühte rundherum der Raps, und das Getreide quoll über sanfte Hügel, über den Alleen bildeten die Bäume ein dichtes Dach, durch das flirrendes Sonnenlicht warme Flecken warf. Urlauber strömten ans Meer und besichtigten Gutshäuser, Museen und alte Kirchen, fuhren kreuz und quer über die Insel, auf einsamen Pfaden oder dicht gedrängt in Autos, Bussen und Bahnen, starrten von den Kreidefelsen ins Meer und begaben sich auf Störtebekers Spuren. Eindrücke sammeln und vielleicht für Momente die Vollkommenheit des Augenblicks spüren. Zeit der Fülle und Düfte, der Feste, Klänge und Farben, die immer satter und verschwenderischer wurden und schließlich den Herbst ankündigten. Später die bittere Kargheit des Winters mit einem Meer voller Eisschollen und Bäumen, die ihre erstarrten Äste anklagend in den Himmel reckten. Winterstürme und Väterchen Frost.
    Irgendwann hatte Silke gewusst, dass sie nach Rügen zurückkehren würde – nicht, weil die Eltern auf sie warteten oder sie großen Wert auf Familienzusammengehörigkeit legte oder weil ihre Ehe nur noch eine Farce gewesen war, die irgendwann beendet werden musste. Auch nicht, weil Hamburg zu groß und zu üppig war, zu mächtig, zu fein und zu laut. Nein, es war, abgesehen von ihrer unumstößlichen Liebe zur Insel, die tiefe Gewissheit gewesen, dass die Rückkehr sie heilen könnte.
    Sie hatte das kleine reetgedeckte Haus vor knapp zwei Jahren entdeckt. Es war idyllisch gelegen, bis zur Schoritzer Wiek benötigte man nur wenige Minuten zu Fuß, und das abgelegene Gartengrundstück war ein Traum. Dass es halbzerfallen gewesen war und die Sanierung teuer und aufwendig werden würde, der Preis außerdem viel zu hoch angesetzt war, hatte sie nicht im Mindesten gestört. Sie hatte genügend Geld, Muße und Erfahrung als Bauingenieurin sowie viel Geschick, Energie und Fantasie, um sich ein kleines Paradies ganz nach ihren Vorstellungen zu schaffen – mit Kamin und Sauna, Holzdielen und freihängendem Fachwerk, detailverliebt aufgearbeiteten alten Möbeln und einer großzügig gestalteten Küche, in der es nach Kräutern und Beeren duftete und der Herd mit den gusseisernen Verzierungen in der Mitte des Raumes stand. Ihr Arbeitszimmer unter dem Dach glich einer luftigen Galerie. Sie werkelte, plante und zeichnete, legte einen Garten an, verwaltete ihr Geld, las, erkundete die Gegend, fast immer allein. Sie mochte die Einsamkeit. Dann, als die großen Arbeiten bewältigt waren und der Alltag einkehrte, hatte sie erste Ideen für ein neues berufliches Betätigungsfeld. Bauen in der Prora – was für eine spannende Herausforderung!
    Es war ein schönes und bequemes Leben – sie war gerade mal Mitte dreißig und konnte tun und lassen, wonach ihr der Sinn stand. Das Problem war nur, dass dieser Sinn manchmal ein merkwürdiges Eigenleben führte. Immer noch. Immer wieder. Auch hier auf Rügen, in Schabernack, dem Ort mit dem wohltuend fröhlichen Namen, an dem sie genesen wollte. Aus dem Nichts und nach langer Abwesenheit war er plötzlich wieder aufgetaucht – der Druck, der ihr Herz ohne ersichtlichen Grund einschnürte und zittrige Unruhe verbreitete, manchmal schon am frühen Morgen, der die Atmung beschleunigte und die Gedanken wie Kobolde hin und her scheuchte, wie giftige Kobolde, die nichts Besseres zu tunhatten, als Furcht zu verbreiten, Furcht vor absurden Gedanken, Furcht vor dem Nichts. Das war das Schlimmste.
    Es hatte nicht gereicht, zurückzukehren und im Schutz eines heiteren Namens auf Heilung zu hoffen, dachte Silke, als

Weitere Kostenlose Bücher