Duenenmord
anderes sehen. Soll ja vorkommen.«
»Wie auch immer. Sie arbeitete in Kiel in einer privaten Kinderbetreuungseinrichtung, kehrte jedoch fünf Jahre später nach Rügen zurück – Heimweh? – und fing in der Kita Süd-West-Bergen an, die sie ab 1996 auch leitete«, fuhr Max fort. »Im selben Jahr heiratete sie Michael Sänger, dessen Tochter Lotte damals sechs Jahre alt war. Die Sängers tauchen in keiner Polizeiakte auf, leben in geordneten finanziellen Verhältnissen, und es gibt keine auffälligen Kontoschwankungen, das haben wir bereits gestern routinemäßig überprüft. Seit gut einem Jahr engagierte Monika Sänger sich beim Jugendherbergsprojekt und im Dokumentationszentrum der Prora.« Max hob den Blick. »Vorgestern Abend fuhr sie nach Göhren und wurde dort brutal ermordet – den detaillierten Bericht aus dem Institut müssen wir noch abwarten. Die Art der Verletzungen spricht für eine persönlich motivierte Tat.« Max unterbrach sich und wartete auf Zwischenbemerkungen, aber niemand wollte etwas sagen.
»Wir schließen aus der SMS vom Vortag, dass sie sich mit dem Täter verabredet hatte und den genauen Treffpunkt kannte – ›Sie wissen wo‹«, setzte er seine Erläuterungen fort. »Der Strand von Göhren ist ja einige Meter lang. Eine Bestätigung des Treffens erfolgte jedoch nicht – jedenfalls nicht von ihrem Handy aus. Die Genehmigung für die Überprüfung des Festnetzanschlusses können wir frühestens amMontag erwarten, und für den PC und eventuelle Datenwiederherstellungen auch auf dem Handy braucht die KTU noch etwas Zeit.«
»Es gab Streit«, ergriff Romy das Wort. »David Corhardt hat von weitem eine Situation beobachtet, die als heftige tätliche Auseinandersetzung gedeutet werden darf, in deren Folge Monika zu Boden ging und getreten wurde. Mutter und Sohn haben gerade eine zweite Aussage gemacht – das Band kannst du dir nachher anhören«, fügte sie an Max gerichtet hinzu, der sich sofort eine Notiz machte. »Ich denke, wir können festhalten, dass sich Mörder und Opfer kannten und die beiden ein Konflikt verband, der gewaltiges Hasspotential barg – die Verletzungen des Opfers sprechen eine eindeutige Sprache«, fuhr sie fort. »Da hat niemand im Affekt zugeschlagen und sich dann auf und davongemacht. Das halte ich zumindest für sehr unwahrscheinlich.«
»Wenn die Sänger wusste, mit wem sie sich traf, warum verwendete der Täter dann überhaupt eine Handynummer, die unter einem Fantasienamen angemeldet ist?«, gab Kasper zu bedenken. »Das wirkt, als wollte er doch in Deckung bleiben – sicherheitshalber?«
»Ja, warum nicht? Der Konflikt ist eskaliert«, entgegnete Romy. »Ein Risiko, das der Täter wahrscheinlich einkalkulierte – im Gegensatz zu Sänger. Sie war sich der Gefahr nicht bewusst oder hat sie schlicht unterschätzt, warum auch immer, sonst hätte sie sich wohl kaum auf das Treffen eingelassen.«
»Denkbar, aber die Familie und auch Dieter Keil beschreiben sie als angespannt und nervös, gerade in letzter Zeit …« Kasper zog die Stirn kraus. »Das kann alle möglichen Gründe gehabt haben und muss nicht ausschließlich mit ihren mühsamen und wenig erfolgreichen Recherchen zusammenhängen. Und Bella Wassernixe klingt ziemlich kindisch, wenn du mich fragst.«
»Oder schlicht konspirativ? So wie der gewählte Treffpunkt«, schlug Romy vor. Sie hob eine Hand. »Vielleicht haben die beiden sich schon mal getroffen, auch dort oder an einem anderen Strand, und der Mörder fand den Bezug lustig.«
Kasper goss sich frischen Kaffee nach. »Na ja, sehr komisch finde ich das eher nicht, aber vielleicht klärt sich dieser Aspekt noch, wenn wir über mehr Hintergrundwissen verfügen.«
»Denke ich auch. Sänger war einer alten Geschichte auf der Spur, wie sich schnell herauskristallisiert hat, sie recherchierte das Schicksal der Bausoldaten in der Prora, befragte Leute, suchte vergeblich nach Akten«, setzte Romy dann die Zusammenfassung der bisherigen Ermittlungserkenntnisse fort. »Sie empörte sich über ihre Eltern, die beharrlich zum Unfall des Bruders im Mukraner Hafen schwiegen, was Monika aber nicht von ihrem Vorhaben abbrachte, ganz im Gegenteil. Sie vermutete, dass damals so einiges nicht mit rechten Dingen zugegangen war. Schließlich äußerte die Mutter sich doch, und es fielen zwei Namen – Ex-Spatis und Leidensgenossen von Rolf, die Sänger Keil gegenüber erwähnte und die sie im letzten Abschnitt ihrer Notizen aus dem vergangenen Herbst als
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