Duenenmord
sagte Ihnen bereits gestern, dass ich …«
»Stimmt. Habe ich mir gemerkt. Aber ich leite eine Mordermittlung«, entgegnete Romy. »Interessiert es Sie denn nicht im Mindesten, was mit Ihrer Tochter passiert ist?« Der lodernde Blick des Alten war schwer zu ertragen, aber mit wütenden Vätern, die sich unglaublich stark fühlten, hatte sie hinreichend Erfahrung.
»Sie ist tot, mehr will ich gar nicht wissen!«, keifte Konrad Arnolt.
»Das mag so sein, aber die Polizei ist verpflichtet, den Ursachen auf den Grund zu gehen und nach Möglichkeiten, den Täter zu ermitteln.«
Arnolt umklammerte den Türgriff. »Ich kann auch ein Attest vorlegen, dass ich gesundheitlich nicht in der Lage bin …«
»Können Sie, aber ich würde wiederkommen – nächste Woche, übernächste, im Februar«, erklärte Romy forsch. »Ich bin sehr hartnäckig, und ich nehme meinen Job verdammt ernst.«
»Ja?«
»Ja, Herr Arnolt. Ihre Tochter war auf der Suche, und wir gehen davon aus, dass ihre Nachforschungen in engem Zusammenhang mit ihrer Ermordung stehen.«
Er zuckte zusammen. »Und wie kommen Sie darauf, dass wir – meine Frau oder ich – Ihnen da irgendwie weiterhelfen könnten?«
»Wir vermuten, dass bei einem der letzten Kontakte zwischen Ihrer Frau und Monika etwas zur Sprache kam, was für unsere Ermittlungsarbeit wichtig sein könnte. Darüber möchte ich mit Ihnen reden.«
Arnolt kaute auf seiner Unterlippe. Er atmete schwer. »Trotzdem, meine Frau und ich sind müde und …«
»Das ist mir klar – trotzdem muss ich darauf bestehen.«
»Sie können bestehen, so lange wie Sie …«
»Lass sie doch endlich herein«, erklang plötzlich eine Stimme aus dem Inneren des Hauses.
»Was?« Arnolt fuhr herum. »Das ist doch nicht dein Ernst!«
»Doch.«
Der Alte wandte sich zögernd wieder um. Verblüffung machte sich auf seinem Gesicht breit, begleitet von unterdrückter Wut. Es schien in den letzten Jahrzehnten nicht allzu häufig vorgekommen zu sein, dass seine Frau eine eigenständige Entscheidung, noch dazu gegen seinen Willen und vor Zeugen, getroffen hatte. Er stieß die Tür ruckartig auf, drehte sich wortlos um und stapfte zurück ins Haus. Wenige Augenblicke später krachte irgendwo eine Tür ins Schloss. Romy atmete zweimal tief durch und betrat den Flur.
Margot Arnolt erwartete sie im Wohnzimmer. Ihr Mann war nicht zu sehen. Die alte Frau war zart und von durchscheinender Blässe, ihre Augen wirkten unnatürlich groß, das Gesicht war eingefallen, beherrscht von Kummer und Fassungslosigkeit. Romy schluckte und stieß ein stummes Stoßgebet aus, dass ihr Auftritt im Hause der Arnolts nichtumsonst sein würde und sie der alten Frau keinen zusätzlichen und völlig unnötigen Kummer bereiten musste.
»Setzen Sie sich zu mir«, sagte sie leise und wies auf den Sessel neben der Couch, auf der sie zwischen mehreren Kissen aufrecht saß.
Romy nahm Platz und stellte sich noch einmal vor.
»Ich weiß, ich habe das mitbekommen.« Frau Arnolt nickte und beguckte ihre dunklen Locken. »Sie sind nicht von hier, oder?«
»Mein Vater ist gebürtiger Italiener, ich stamme aus München«, erläuterte Romy freundlich. Diese Erklärung gab sie im hohen Norden häufig ab.
»Ja«, ein Lächeln blitzte in Arnolts Gesicht auf, »Italien, das passt zu Ihnen.« Die heitere Note verflog. »Stellen Sie Ihre Fragen«, sagte sie tapfer.
»Es tut mir sehr leid, dass ich so energisch werden musste …«
»Anders hätten Sie nichts erreicht, schon gar nicht bei ihm.«
»Danke für Ihr Verständnis.«
Sie nickte. »Monika hat sich in letzter Zeit viel mit der Vergangenheit beschäftigt. Es ging um den Tod ihres Bruders«, fügte sie eilig hinzu und heftete den Blick auf ihre Hände.
»Der Unfall hat ihr keine Ruhe gelassen.« Romy zwang sich, langsam zu sprechen und keinesfalls fünf Fragen auf einmal zu stellen, wie das manchmal im Übereifer ihre Art war.
»Woher wissen Sie das?«
»Sie hat sich Notizen gemacht.«
»Ja.« Wieder ein Nicken. »Keiner weiß genau, was damals passiert ist. Wir haben uns mit der Auskunft begnügt, dass es ein tragischer Unfall war. Wir waren viel zu erschüttert, um Fragen zu stellen. Aber Monika … Sie war wie untereinem inneren Zwang, die Dinge aufzuklären, ihnen auf den Grund gehen zu wollen … und das nach so vielen Jahren. Plötzlich war sie wie besessen davon.«
»Sie ist einem Verdacht nachgegangen«, schob Romy behutsam dazwischen. »Und wir vermuten, dass sie hoffte, doch noch etwas
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