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Duenenmord

Duenenmord

Titel: Duenenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Peters
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nicht verschwunden und Monika würde wahrscheinlich noch leben«, beharrte Romy.
    »Ja, wahrscheinlich«, stimmte Kasper zu. Er klang müde.
    »Ich habe das dumme Gefühl, dass uns die entscheidenden Puzzleteile fehlen. Und ich hätte große Lust, nicht nur Heise, sondern auch den alten Arnolt vorzuladen, aber …«
    »Vergiss es!«, wehrte Kasper sofort ab. »Beide werden sich weigern, solange wir nichts in der Hand haben außer lückenhaften Erinnerungen, schwammigen Verdachtsmomenten und einem Sack voller Vermutungen.«
    »Ja, du hast recht. Immerhin ist Max bereits fündig geworden, was den Bäsler angeht«, berichtete Romy. »Er war überrascht, wie leicht er die Infos zusammenstellen konnte. Nun gut, ich werde morgen versuchen, mit dem Mann zu sprechen. Für heute hab ich genug. Hast du in Putbus was erreicht?«
    »Nicht viel. Lass uns morgen darüber reden.«
    »Alles klar.«
    Romy verabschiedete sich und fuhr langsam nach Hause. Es schneite. Sie verschob ihr ursprüngliches Vorhaben, noch zum Boxtraining ins ehemalige E-Werk Sassnitz zu fahren. Vielleicht morgen, dachte sie.
    In dieser Nacht träumte sie zum ersten Mal nach langer Zeit wieder von Moritz, von seinem strahlenden Lächeln und den Sommersprossen, die sich schon nach wenigen Tagen unter der Rügener Sonne auf seiner Nase zu tummeln begonnen hatten, dem sanften Druck seiner zärtlichen Hände und seines sehnigen Körpers. Als sie aufwachte, war ihr Gesicht tränennass, und die Sehnsucht umklammerte ihr Herz.

8
    Helmut Lanz hatte damals nicht widerstehen können. Die Behörde hieß noch Gauck, und einige hatten ihn davor bewahren wollen, seine Akte zu lesen. »Willst du wirklich wissen, wer dich bespitzelt hat? Vielleicht jemand aus der Familie oder gute Freunde. Und dann? Du kannst demjenigen nie wieder in die Augen sehen oder ihm die Hand reichen«, hatte ihn ein Bekannter mit großer Eindringlichkeit gewarnt.
    Obwohl das Risiko, zutiefst enttäuscht zu werden, unbestreitbar auf der Hand lag, hatte letztlich dieser mahnende Hinweis sogar den Ausschlag für seine Entscheidung gegeben, den Dingen auf den Grund zu gehen. Wieso sollte er demjenigen nie wieder in die Augen sehen können? Der Verräter hatte sich schamvoll abzuwenden und nicht umgekehrt. Wo kämen wir denn hin, wenn wir uns dafür schämten, was uns angetan wurde?
    Er entdeckte zwei Namen in seiner Akte – der eine erschütterte ihn, der zweite löste grenzenlose Verwunderung aus. Beide stammten aus seinem ehemaligen Mitarbeiterkreis. Lanz hatte sich vorgenommen, irgendwann mit ihnen zu reden – wenn sich eine günstige Gelegenheit bot, um so etwas mit aller Besonnenheit zu regeln. Das tat sie fünfzehn Jahre lang nicht. Weil der regelmäßige Kontakt abgebrochen war, insbesondere nach seiner Pensionierung; weil die Zeit dahinfloss, vieles wegspülte und Lanz die wenigen Situationen, in denen sie sich begegneten und eine Möglichkeit greifbar gewesen wäre, nicht nutzte. Weil die neue Zeit anstrengend und hektisch war und andere Themen sein Leben zu beherrschen begannen. Weil er beiden auswich.
    Letztes Jahr war einer gestorben. Lanz hätte nicht sagenkönnen, ob ihn die verstrichenen Möglichkeiten schmerzten oder erleichterten. Wenn es stimmte, dass die Seele im Angesicht des Todes erneut an allen Lebensstationen innehalten musste, um zu erkennen, was geschehen war und welche Wunden möglicherweise geschlagen worden waren, hätte sein Eingreifen sogar übereilt wirken können. Die Dinge kamen so oder so noch einmal zur Sprache. Aber vielleicht war diese Haltung zu bequem. Ganz sicher war sie das. Mehr noch – ein Freibrief. Menschen neigten dazu, Freibriefe zu missbrauchen.
    Eine gute halbe Stunde nach Schneiders zweitem Anruf, bei dem der Kommissar verdammt eindringlich geklungen hatte, machte Lanz sich auf den Weg. Walter war schon immer ein Gewohnheitstier gewesen, und wenn Lanz nicht alles täuschte, würde er ihn am Samstagabend ab kurz nach zehn Uhr in seiner Stammkneipe in der Nähe des Museums antreffen, sofern ihn sein Rheuma verschonte und seine Tochter ihm nicht die Kinder aufs Auge gedrückt hatte oder das Lokal geschlossen war. Dort zischte er sein Bierchen, vielleicht auch zwei oder drei, spielte Skat, wenn sich Mitspieler fanden, und schwelgte in alten Geschichten.
    Es war einige Jahre her, dass Lanz zum letzten Mal dort gewesen war. Viel hatte sich nicht verändert. Für die Raucher gab es nun einen gesonderten Raum, und natürlich war es dort viel gemütlicher.

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