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Duenenmord

Duenenmord

Titel: Duenenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Peters
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die Regie überlassen? Menschen, würde Moritz antworten, Menschen, die in einer Ausnahmesituation abseitsaller Regeln, Gebote und ethischen Vorgaben handeln. Das sogenannte Böse steckt in jedem von uns.
    Sie lehnte den Kopf an den Fensterrahmen und schloss die Augen. Nie wieder hatte sie etwas mit Kindesmissbrauch zu tun haben wollen, dem schlimmsten aller schlimmen Verbrechen.

18
    Zwischen dem Regal mit dem Zubehör und dem Schrank mit den Sauerstoffflaschen stand eine lebensgroße Schaufensterpuppe, die Heise am Tag der Eröffnung seiner Taucherschule in einen antiquierten Anzug samt Taucherglocke gesteckt und nach der Legende Hans Hass benannt hatte. Im Laufe der Jahre hatte sich im Geräteschuppen und in der Schule so manches geändert, Hans Hass war geblieben. In seinen südseeblauen Augen, mit denen er erwartungsvoll aus dem Bullauge der Glocke stierte, herrschte stoische Freundlichkeit. Hass hatte seine Arme affektiert ausgebreitet und machte den Eindruck, als sei er für fast jeden Scherz zu haben. So hatte ihm vor einiger Zeit mal jemand eine Salatgurke im Schritt befestigt – einer seiner Söhne, wie Heise vermutete. Er hatte einen Zettel daran befestigt: Träum weiter.
    Heise schloss die Tür hinter sich ab und begrüßte Hass mit Handschlag. »Na, Kumpel, wie geht’s?« Mit einem winzigen Schraubenschlüssel löste er zwei Muttern am Bullauge und zog es behutsam nach außen auf.
    »Tut mir leid, ich muss noch mal an deine Beißleiste«, sagte Heise leise und drückte die obere Plastikzahnreihe nach innen. Der Stick war am Gaumen befestigt. Er löste ihn, verschloss Zähne und Glocke wieder und setzte sich an seinen Laptop.
    Seit die Beccare am Morgen erneut vor der Tür gestanden hatte, kaute er auf dem Gedanken herum, die Dateien entweder noch einmal zu prüfen, um der Polizei vielleicht doch einen Hinweis liefern zu können, und den Stick anschließend unwiederbringlich zu zerstören oder aber das letzte Beweismittel sofort verschwinden zu lassen.
    Die Frage, warum er das nicht längst getan hatte, war relativ leicht zu beantworten. Das Material war zu umfangreich gewesen, um es in wenigen Stunden eingehend prüfen zu können, zumal er dies heimlich tun musste. So hatte er die Dateien noch in der Nacht auf den Stick überspielt, dann das Netbook kurz und klein geschlagen, um es am nächsten Tag mit einer Fuhre Elektronikschrott persönlich im Altstoffhof in Sagard abzugeben. Für das Lesen der Dokumente und Mails hatte er einen abgelegten Laptop aus dem Büro benutzt, mit dem er sich zwischendurch in den Geräteschuppen zurückzog.
    Als die Polizei am Samstag vor der Tür gestanden hatte und ihm eine Verbindung mit Monika Sänger nachweisen konnte, durch die er plötzlich sogar unter Mordverdacht geriet, war er ins Grübeln gekommen, ob es tatsächlich klug war, auch den Stick sofort zu vernichten. Möglicherweise fanden sich in irgendeiner Mail oder den Aufzeichnungen genau die Spuren, die zu Sängers Mörder führten und ihn selbst entlasteten, ohne dass Heise sie als solche beim Prüfen erkannt hatte, weil es keinen Zusammenhang mit ihm und der Prora-Geschichte gab. Außerdem war es keine schlechte Idee, ein Pfand zu haben, falls die Polizei sich nicht an ihr Abkommen »Vertrauen gegen Vertrauen« hielt.
    Was für eine Vernichtung des Datensticks sprach, war die verführerische Aussicht, damit jegliche Verbindung zur Vergangenheit endgültig zu kappen und den Behörden keine weiteren Anhaltspunkte für seine persönliche Geschichte zu liefern, die dann wahrscheinlich in irgendeiner Akte landen würde. Aber möglicherweise war es eine Illusion, davon auszugehen, seiner Vergangenheit entfliehen zu können, indem man Daten vernichtete. Trügerisch wie eine Seifenblase und ebenso kurzlebig.
    Sie sollen mich in Ruhe lassen, dachte Heise und spürte sofort seinen Magen. Er fuhr den Laptop hoch. Wenn ihnseine Erinnerung nicht trog, gab es einen Ordner mit persönlichen Anmerkungen, die er lediglich überflogen hatte. Er kopierte den Inhalt auf einen Allerweltsstick, wischte ihn sorgfältig ab und verschloss ihn in einem Briefumschlag, den er auch abwischte und dann nur noch mit Handschuhen berührte. Den anderen Stick zerstörte er, packte die Einzelteile in eine Tüte und steckte auch sie ein.
    Zehn Minuten später machte er sich auf den Weg nach Bergen. Er fuhr über Mukran in Richtung Süden, neben sich das vereisende Meer. Als er den nördlichen Bereich der Prora erreicht hatte, hielt er an einem

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