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Duenne Haut - Kriminalroman

Duenne Haut - Kriminalroman

Titel: Duenne Haut - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kabelka
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die Leute betrachten es bestenfalls als netten Gag. Als beklatschens-, nicht als bedauernswert. Wie reagierst du da als einer, der davon lebt, allem und jedem das Mark aus den Knochen zu saugen, um daraus eine flotte Pointe zu basteln? Am Ende merkst du gar nicht mehr, dass du im Begriff bist, diesem Zweck auch dein eigenes Mark zu opfern. Und wenn du es dann doch einmal merkst, ist es garantiert zum falschen Zeitpunkt.“
    „Wieso falscher Zeitpunkt? Sie hatten doch einen unheimlich starken Abgang in dieser Show.“
    „Stark!“ Prader gibt einen gequälten Lacher von sich. „Was glauben Sie, wie mir danach zumute war! Ich hatte mich trotz meiner Erfahrung mit den Medien dazu verleiten lassen, die Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen. Ohne jede Pointe, frei von Ironie. Aber kein Mensch, das war mir im selben Augenblick klar, würde mir, dem Wiener Stadtneurotiker, diese armselige Wahrheit abnehmen, Sie selbst haben es mir eben bestätigt. Und nachdem ich in jener Nacht doch nur zwei statt zweihundert Schlaftabletten geschluckt habe, konnte ich mich nicht mehr hinaustrauen auf die Straße. Ein paar Tage lang ernährte ich mich von Dosenfutter, dann setzte ich mich ins Auto und flüchtete. In ein Dorf, wo ich schon jahrelang nicht mehr gewesen war.“
    „Um sich dort zu verstecken?“
    „Nein. Um den alten Dr. Eckmayer aufzusuchen, einen furchtbar lieben Kerl. Ihm habe ich es zu verdanken, dass ich nicht schon bei meiner ersten existenziellen Krise mit achtzehn das Handtuch geworfen habe. Ich erklärte ihm, dass es wieder einmal soweit war: Dass ich zu feige sei, mit meinem Leben weiterzumachen, aber auch zu feige, mich umzubringen. Und dass ich unmöglich nach Wien zurück könne, die Schande sei nicht zu ertragen. Der erstbeste Taxifahrer würde mich anstänkern:
Na, samma immer noch nicht abgetreten? Eine große Goschn haben’s, diese Künstler, nix als wie eine große Goschn …“
    „Und wie sind Sie hier gelandet?“
    „Eckmayer kennt ein paar Ärzte im
Sonnblick
, deshalb hat er es mir empfohlen. Der ideale Rückzugsort, hat er gemeint, dort findet dich keiner. Eine Fehleinschätzung, wie sich gezeigt hat.“
    Hagen ist eigenartig zumute. Einerseits fühlt er sich geehrt, dass sich der berühmte Kabarettist ihm gegenüber als ein Leidensgefährte geoutet hat, andererseits macht ihm genau diese Tatsache Stress. Bedeutet das nicht, dass Prader umgekehrt auch von ihm Offenheit erwartet? Er ist es gewohnt, einem geschenkten Gaul sehr wohl ins Maul zu schauen, also hinter Nähe und Offenheit immer irgendwelche versteckten Bedingungen zu wittern; wobei für ihn, zugegeben, schnell etwas
zu
nahe ist,
zu
offen. Ich bin einfach von Natur aus misstrauisch, sinniert er, eh nicht schlecht in meinem Beruf. Aber vielleicht handelt es sich bei dieser Eigenheit ja auch um mehr als eine persönliche Marotte? Um eine Art Län die-Punze, auch wenn es
den
Vorarlberger schon längst nicht mehr gibt?
    Prader bemerkt, dass sein Gesprächspartner in Gedanken woanders ist. „Jetzt haben wir aber lange genug über mich geredet“, meint er. „Was hat eigentlich Sie hierher verschlagen, Herr Inspektor? Sie sind doch hoffentlich nicht wegen eines Kriminalfalls hier?“
    „Nein. Ich bin nur hier, um meinen eigenen Fall zu lösen. Der ist knifflig genug.“
    „Tja“, sagt Prader mit einem simulierten Seufzen, „wir sind das, was der Fall ist. Klingt philosophisch, gehört aber doch eher zum weiten Feld der Psychiatrie.“
    Hagen versteht die Anspielung nicht. Er kommt auch nicht dazu, lange darüber nachzudenken, denn Prader überrumpelt ihn mit einem Vorschlag.
    „Wollen wir uns duzen? Immerhin sind wir hier die einzigen Österreicher auf weiter Flur.“ Er streckt ihm die Hand hin.
    „Gerne“, sagt Hagen, „also, ich bin der Tone.“
    „Und ich der Ernst.“
    „Ich weiß. Mit dem Vornamen wird einem der Beruf des Komikers ja praktisch in die Wiege gelegt, oder?“
    Sie schütteln einander die Hände.
    Hagen schaut auf die Uhr. „Ich glaube, ich muss jetzt langsam zurück“, sagt er. „Um zehn beginnt meine erste Gesprächsgruppe. Da sollte ich nicht zu spät kommen.“
    „Bei wem? Etwa bei der Mickl?“
    „Ja, ich glaube, so heißt sie.“
    „Dann haben wir denselben Weg. Willkommen in meiner Gruppe, Tone!“

8 S EEMANN UND N ONNE
    „Ich möchte heute ganz besonders unser neues Gruppenmitglied begrüßen“, flötet Dr. Mickl. Sie verfügt über eine unglaubliche Stimme, die zu ihrer gedrungenen Figur

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