Duenne Haut - Kriminalroman
ist das Irre, träumt solche Träume, ohne an Sex auch nur denken zu müssen. Inkompatibel? Keine Spur! Avancen von Männern werden nicht einmal ignoriert, bis sie mit der Zeit von selbst aufhören. Die einzige Umwerbung, die sie interessiert hätte, fand nie statt. Wie auch! Guido Westhäußer, das hat sie mittlerweile begriffen, jagt in anderen Revieren.
Hat Marie Therese Herbst womöglich auch damit ins Schwarze getroffen, als sie ihr an den Kopf warf,
wahre Kompetenzen
nur bei der Gartenarbeit zu haben? Sie muss sich eingestehen, in der Supervision diese Nacht ausgeblendet zu haben. Niemanden, nicht einmal eine Vertraute wie Margot Grein, hat sie bisher eingeweiht. Vierundzwanzig Monate Verdrängung. Ist das etwa professionell?
Aber wieso arbeitet sie überhaupt noch in dieser Klinik? Auf dieser Station, wo sie Sachs beinahe täglich über den Weg läuft. Wo sie sein widerliches Grinsen ebenso einstecken muss wie seine Komplimente, die nur sie richtig aufzulösen weiß:
„Heute sehen wir aber wieder ganz besonders attraktiv aus, werte Kollegin!“
Soll er ersticken daran!
Vermutlich bin ich eine Masochistin, erzählt sie Moritz, der noch immer zu ihren Füßen vor sich hin schnurrt. Auf jeden Fall bin ich feige. Eine feige Masochistin. Die Herbst hat das als Einzige durchschaut. Mit ihrer Intuition hat sie mich vor mir selbst bloßgestellt. Kein Wunder, dass einen das fertigmacht. Aber wenn ich tatsächlich etwas von meinem Job verstünde, müsste ich zu ihr hingehen und sagen: Marie Therese, ich danke Ihnen, dass Sie das dicke Pflaster von meiner Wunde gerissen haben. Sie mögen in Ihrem eigenen Leben einiges durcheinanderbringen, aber mir haben Sie Klarheit geschenkt. Dafür bin ich Ihnen zu Dank verpflichtet.
Stattdessen fürchte ich mich vor ihr. Manchmal hasse ich sie sogar.
Womit haben Sie diese Idylle verdient?
Ja, womit?
Verdammte Scheiße!
Der Schrei ist einfach so aus ihr herausgebrochen. Sie schleudert den Quilt von sich, sodass Moritz mit zurückgelegten Ohren von der Couch springt. Verdammte Scheiße! Sie brüllt es durchs Wohnzimmer, ein ums andere Mal, als wolle sie ihrer Zartheit und Kleinheit für immer kündigen. Bis sie langsam heiser wird von dem ungewohnten Geplärre.
Kloina Sigrid
.
Kleine geile Sau
.
Ach, halt die Schnauze, Oma! Und du, Sachs, sowieso!
12 I SOLANI
Punkt neunzehn Uhr fährt der BMW die halbkreisförmige Zufahrt zum
Sonnblick
herauf. Wenn sie jetzt noch einen roten Teppich ausrollten, er würde sich vorkommen wie ein richtiger Staatsgast. Noch nie in seinem Leben hat Hagen sich von einem Taxi in ein Wirtshaus bringen lassen. Prader sehr wohl.
„Unsereins kann halt nicht darauf vertrauen, dass die Kollegen von der Streife im Fall des Falles ein Auge zudrücken“, erklärt er dem Chefinspektor außer Dienst. Ein Argument, das Hagen kommentarlos zur Kenntnis nimmt.
Sie lassen sich in die Rücksitze fallen. „Nach Trauching“, rufen beide wie aus einem Mund.
„Okay“, sagt der Taxifahrer und drückt aufs Gaspedal.
Er hat ein olivfarbenes Gesicht und scheint aus dem Mittleren Osten zu stammen. Aus Pakistan?, flüstert Hagen. Eher Iran, mutmaßt Prader. Als sie den Fahrer bitten, das Rätsel seiner Herkunft zu lüften, erweist er sich als waschechter Stuttgarter.
„Okay, meine Hautfarbe ist ein bisschen dunkel geraten. Aber ich kann Ihnen garantieren: Sämtliche meiner Vorfahren stammen seit mindestens vier Generationen aus deutschen Landen. Mütterlicher- wie väterlicherseits! Darauf kann ich einen Eid ablegen!“
Sie lassen sich von ihm beraten, in welchem Wirtshaus man in Trauching am besten isst. Im Goldenen Krug, lautet die Auskunft. Die Fahrgäste sparen nicht beim Trinkgeld, der Taxler revanchiert sich mit einer Visitenkarte. Für den Fall, dass die Herren heute Nacht noch einmal seine Dienste benötigen sollten …
Gleich neben dem Eingang prangt auf der Wand eine bekannte Parole:
Ausländer raus
. Prader holt einen Filzstift aus der Jacke und ergänzt damit das Graffiti mit drei Wörtern. Jetzt lautet der Spruch:
Ausländer raus aus der Isolation
.
„Sei froh, dass wir hier im Ausland sind“, meint Hagen scherzhaft, „sonst müsste ich dich jetzt glatt festnehmen.“
„Aber wieso denn, was soll ich denn verbrochen haben?“ So, wie Prader seine Stimme auf aristokratisch trimmt, klingt er wie Graf Bobby in den alten Witzen.
„Wegen Beschädigung von Privateigentum natürlich. Besudelung fällt auch unter dieses Delikt.“
„Pardon,
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