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Duenne Haut - Kriminalroman

Duenne Haut - Kriminalroman

Titel: Duenne Haut - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kabelka
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können. Und was den echten Strick betraf: Dass ihn Laub in seinem Zimmer aufbewahrt und damit jederzeit griffbereit gehabt hatte, ließ die Polizisten schlussfolgern, der Selbstmordversuch könne so spontan nicht erfolgt sein. Womit sie Hagens Einschätzung nach recht hatten. „Überdurchschnittlich suizidgefährdet, diese alten Lehrer“, erklärte der kleine Korpulente fachmännisch. Kein Grund jedenfalls, die Sache aufzubauschen und die Kripo beizuziehen. „Zumal ohnehin schon ein Kommissar vor Ort ist“, feixte der Schlaksige. „Chefinspektor“, korrigierte Hagen. Das
außer Dienst
hatte er nur dazugedacht. Man wollte die Geschichte schließlich nicht künstlich kompliziert machen.
    Laub wurde zunächst ins Notversorgungszimmer der Klinik gebracht. Ein Arzt, den Hagen schon von seiner eigenen Aufnahmeuntersuchung her kannte, versorgte den Lehrer. Sein Hals sah ziemlich schlimm aus, und welche Folgen der minutenlange Herzstillstand im Hirn hinterlassen würde, war noch nicht absehbar. Hagen unterschrieb seine Zeugenaussage und suchte schnell das Weite. Bekam gerade noch mit, wie der Sanitätswagen vorfuhr, der Laub ins Krankenhaus nach Ravensburg bringen sollte.
    Und jetzt? Ein etwas melancholischer Retter hockt da auf der Parkbank. Wieso eigentlich? Er könnte sich doch einfach freuen, einmal nicht zu spät gekommen zu sein. Das übliche Schicksal eines Kriminalers ist es doch hinterherzuhinken, eine bereits vollzogene Tat zu untersuchen und im besten Fall aufzuklären. Wieso also die Trübsal? Weil er einen akademisch geprüften Arsch aus der Schlinge befreit hat? Hagen, Hagen, maßt du dir da nicht zu viel an? Aber er weiß ja eh, woher sein Grant rührt: Von der
Irish Connection
, seinem verdammten Trauma. Du kannst dir halt nicht aussuchen, wo du zum Retter wirst und wo zum Versager …
    Als er die Hand auf seiner Schulter spürt, greift er sich unwillkürlich ans Herz.
    „Hallo“, sagt die Stimme, „so sieht man sich also wieder.“
    Es ist die Frau mit der Visitenkarte. Die, vor der ihn Prader gewarnt hat. Der Isolani, die wandelnde Bombe.
    „Hallo“, sagt er schnaufend und dreht sich im Sitzen zu ihr um. „Sie hätten mich beinahe zu meinen Vorfahren geschickt. Herzmäßig ist es bei mir nicht zum Besten bestellt.“
    „Bei mir auch nicht. Da haben wir ja etwas gemeinsam.“ Sie lächelt ihn liebenswürdig an.
Très charmant
, wie der Franzose sagt. Der Ausdruck fällt ihm ein, obwohl er gar nicht Französisch kann.
    Sie trägt einen kurzen Rock und ein noch kürzeres Blouson, das bei der Hüfte ein Stück ihrer Haut unbedeckt lässt. Weiter oben bietet sie, über ihn gebeugt, noch tiefere Einblicke. Bombe oder Sexbombe, das ist hier die Frage.
    Er steht auf und lädt sie ein, auf seinen Handschuhen Platz zu nehmen. „Ist doch ein bisschen kalt, so – oder?“
    „Nein, absolut nicht. Die innere Hitze, Sie verstehen. Entweder man hat sie, oder man hat sie nicht.“
    Er setzt sich mit einem Respektabstand neben sie. „Frau Herbst, richtig?“
    „Richtig. Ich sehe, Sie haben meine Karte gefunden. Aber nennen Sie mich doch Marie Therese.“
    „Gerne. Dann bin ich der Tone. Tone Hagen.“ Sie schütteln einander die Hände.
    „Hagen? Sie haben einen Meuchelmörder als Namensvetter? Wie fühlt man sich denn da?“ Er zuckt mit der Achsel wie ein Schüler, dem der Lehrer eine zu schwierige Frage gestellt hat.
    Das ist bereits das zweite Mal in jüngerer Zeit, dass jemand seinen Namen unter die Lupe nimmt. Der Torfstecher Liam hat ihm erklärt, in welcher Tradition sein Vorname steht:
Antonius, Helfer der Suchenden
. Jetzt, in ihrer Deutung, findet er sich in bedeutend schlechterer Gesellschaft wieder. Weil sie damit glänzen will, wie belesen sie ist? In Vorarlberg, wo der Name Hagen häufig, in Lustenau geradezu inflationär, vorkommt, hat ihn jedenfalls noch niemand mit dem bösen Hagen von Tronje in einen Hut geworfen, nicht einmal im Scherz. Falls ihre Äußerung überhaupt witzig gemeint war. Eigentümlich: Es hat geklungen wie ein launiges Wortspiel, aber ihre Augen …
    Weil er nicht weiter weiß, übt Hagen sich gleich wieder in Selbstkritik: Er ist ja so was von untalentiert, wenn es um Smalltalk geht, vor allem bei schönen Frauen! Verkrampft und kompliziert, wenn etwas Einfaches angesagt wäre. Ein Kompliment beispielsweise, das könnte nie schaden. Behauptete jedenfalls der Knigge, das Benimmbuch, das er mit achtzehn gelesen hat. Mittlerweile natürlich total antiquiert; aber an

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