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Duenne Haut - Kriminalroman

Duenne Haut - Kriminalroman

Titel: Duenne Haut - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kabelka
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angesetzt. Zweitens, und das gibt ihm noch größere Befriedigung: Seine Strahlkraft bei jüngeren Frauen ist nach wie vor ungebrochen. Dabei hatte ihn die erste Reaktion der Herbst auf seine provokante Frage fast glauben lassen, er habe den Torpedo auf das falsche Schiff abgeschossen. Wie sie erst die Verwirrte und danach die Entrüstete spielte, erschien durchaus glaubwürdig. Aber er bohrte weiter, mit Fragen wie mit Blicken, und auf einmal brach sie ein. Gab zu, dass sie es gewesen war, die durch sein Schlafzimmer gegeistert war, um ihn im Schlaf, im schutzlosen Zustand, wie sie sagte, zu beobachten. Etwas Böses habe sie nie im Sinn gehabt, einzig seine männliche Ausstrahlung sei es gewesen, die sie zu dem
Besuch
verführt hatte. Ob er ihr wohl verzeihen könne? Er beruhigte sie und entließ sie ins Wochenende, während er im Hinterkopf bereits jenen Eintrag in ihre Krankengeschichte aufsetzte, der bei der Teamsitzung am Montag zu der einzig möglichen Konsequenz führen würde: der sofortigen Entlassung von Marie Therese Herbst aus der Klinik. Nach dem Match gilt es das noch zu verschriftlichen – aber jetzt wird er erst einmal demonstrieren, wer der Herr auf dem Tennisplatz ist.
    Schwer zu sagen, ob Selzer wirklich immer der so deutlich Schwächere war. Jedenfalls kann Sachs sich nicht daran erinnern, dass der Oberarzt ihn in all den Jahren jemals geschlagen hätte. Gerade wenn das Spiel einmal auf Messers Schneide stand und Sachs befürchtete, diesmal werde er wohl dem anderen zum Sieg gratulieren müssen, hatte Selzer regelmäßig versagt. Lächerliche Doppelfehler beim Aufschlag, katastrophale Returns. Mit der Zeit kristallisiert sich da doch so etwas wie ein Gefühl der Unbesiegbarkeit heraus. Zumal Selzers Score auf dem Tennisplatz dem in der Klinikhierarchie absolut entspricht.
    Das Spiel verläuft von Anfang an auf relativ hohem Niveau. Selzer trägt eine Schirmkappe, die seine Augen beschattet. Schon deshalb ist ihm kaum anzumerken, ob er einen Punkt gemacht oder einen kassiert hat. Trotz des Sonnenscheins ist es spätherbstlich kühl, und auch nach zwei Sätzen kommt keiner von beiden auf die Idee, seinen Pullunder auszuziehen.
    Eins zu eins. Nachdem der erste Satz noch mit 7:5 an Sachs ging, ist Selzer im Verlauf des zweiten Satzes über sich hinausgewachsen und hat klar mit 6:2 gewonnen. Wie immer, wenn es zu einem dritten Satz kommt, legen sie davor eine kleine Pause beim Getränkeautomaten ein.
    „Nicht übel, Selzer“, lobt Sachs seinen Kontrahenten. „Haben Sie heimlich trainiert?“
    Der Oberarzt antwortet mit einer Grimasse und nippt phlegmatisch an seiner Cola. Faszinierend, denkt Sachs, wie antriebslos dieser Mensch doch ist! Wenn man das
Sonnblick
mit einer mittelalterlichen Festung vergleichen wollte, dann sähe er sich selbst als Burgherrn, während draußen, jenseits des tiefen Wehrgrabens, Selzer mit seiner feindlichen Armee schon vor Jahren das Lager aufgeschlagen hat. Selzer, der Typus des ewig Zweiten. Der von seinem Naturell her gar nicht auf die Idee kommt, zum Sturmangriff zu blasen und die hochgezogene Zugbrücke durch Rammböcke zu sprengen, die Mauern durch Sturmleitern zu nehmen, sondern lieber in seiner trostlosen, unergiebigen Stellung verharrt. Vielleicht, weil er gar nicht siegen will? Weil die Position des Zweiten ihm, dem Trägen, mehr Vorteile bietet als beherzte Strategie beziehungsweise herzloses Kalkül? Für einen Siegertyp wie Sachs käme eine solche Haltung nie in Frage. Darum kann er auch nicht nachvollziehen, wie Selzer seinen Anspruch auf den Chefarztsessel kampflos aufgeben konnte, als Sachs sich, von Frankfurt aus, darum bewarb und es verstand, mit einer kleinen Intervention da und gezielt gestreuten Gerüchten dort den Posten zu ergattern. Selzers Kompetenzen waren um keinen Deut geringer gewesen als seine. Der andere hatte sogar den Heimvorteil auf seiner Seite gehabt, hatte er doch bereits als junger Facharzt im
Sonnblick
begonnen und den Großteil der Kollegenschaft hinter sich. Aber, wie gesagt: Bloße Kompetenz wird gegen eine wahre Kämpfernatur nie reüssieren.
    „Wollen wir wieder?“
    „Klar.“
    Der dritte Satz beginnt wie der erste. Sachs geht bei eigenem Aufschlag sofort 1:0 in Führung und schafft dank einiger glücklicher Bälle auch gleich das Break. Zweimal hätte man zumindest darüber diskutieren können, ob der Ball nicht doch die Linie gekratzt hatte, aber Selzer akzeptierte wie üblich die Entscheidung seines Chefs auf Out. Das

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