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Duerers Haende

Duerers Haende

Titel: Duerers Haende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Kirsch
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jetzt mache ich mich sofort an die Arbeit. Und wenn Sie mich hier brauchen, ein Anruf genügt, ich komme sofort.«
    Sie sah voller Staunen auf die junge rotblonde Frau, die da stramm, wie beim Morgenappell, vor ihr stand, die Mütze wieder unter den linken Oberarm geklemmt, die Wangen leicht gerötet. Erst die Euphorie, nun dieser einzigartige Diensteifer. Und das alles galt nicht nur der Arbeit in ihrer Kommission, sondern auch ihr, der Person Paula Steiner, derentwegen sich andere lieber ins Krankenhaus zurückzogen. Im Augenblick tat ihrer gekränkten Seele Eva Brunners Überschwang sehr gut. Sie erwischte sich gerade noch rechtzeitig dabei, wie dieser überbordende Elan dabei war, auch sie mitzureißen.
    »Prima. Danke. Dann müssen wir noch wissen: Wann genau ist Shengali von der Spedition weggefahren, das werden wir von dem Junior erfahren, wann war die Tatzeit, wo, an welcher Raststätte beispielsweise, kann er sich da aufgehalten haben? Darum werde ich mich kümmern. Aber vorher muss ich Fleischmann noch Bericht erstatten.«
    Eva Brunner verließ den Raum, aber erst nachdem sie ihre Mütze abgelegt, Heinrichs diverse Aktenstapel zu einem einzigen zusammengeklopft, diesen an den äußersten Rand seines Schreibtischs geschoben und dann ihren Ordner mitten auf dem Tisch platziert hatte. Auch darin erkannte die Kommissarin eine Botschaft. Und sie gefiel ihr.
    Einem ersten Impuls folgend, wollte sie umgehend zu ihrem Vorgesetzten marschieren, um ihn persönlich über den Ermittlungsstand zu informieren. Doch dazu hätte sie durch das Vorzimmer der Reußinger gehen müssen. Und nach der vor noch gar nicht so langer Zeit geplanten Nettigkeit an deren Adresse stand ihr derzeit nicht der Sinn. Jetzt, nachdem ihr Eva Brunner den Rücken so nachhaltig gestärkt hatte, erschien ihr eine solche wohlwollende Geste nur mehr als Einknicken vor der Gegnerin. Als Schnapsidee, aus der Not des Allein- und Abgewiesenseins geboren. Als überflüssig und geradezu fatal für ihr künftiges Verhältnis zur Reußinger. Sie schaltete ihren Computer an.
    Sie wusste, welche Art Bericht Fleischmann schätzte. Knapp sollte er sein und doch detailreich. Faktenbezogen am Anfang, trotzdem war ihm das »Rumspintisieren bei der Spurenanalyse«, wie er es einmal genannt hatte, wichtig. Derlei Ausflüge in die irrationale Vorstellungswelt waren bislang in Heinrichs Ressort gefallen. Doch heute hatte auch sie einige Spintisierereien anzubieten.
    Da waren zum einen Shengalis Frau und seine Tochter, ein sehr »heterogener innerfamiliärer Hintergrund«, der wohl für die sicher zahlreichen strenggläubigen Moslems in Shengalis naher und entfernter Verwandtschaft schwer zu akzeptieren gewesen sein dürfte. Aber vor allem war da die Botschaft in Form der zum Gebet arrangierten Hände. Insofern sei von der Theorie eines puren Raubmords vorerst abzusehen, schrieb sie, auch wenn diese Möglichkeit weiterhin in Betracht gezogen würde; darum kümmere sich vorrangig, selbstredend unter ihrer Aufsicht, Frau Brunner, die im Übrigen recht anstellig sei und ihr bereits einiges an Routinearbeit abgenommen habe.
    Sie schloss den Bericht mit der Hoffnung, die kluge und engagierte Anwärterin auch weiterhin in ihrer Kommission ausbilden zu dürfen. Sie sei davon überzeugt, dass die Praktikantin Brunner damit die Chance habe, die kriminalpolizeiliche Ermittlungsarbeit beispielhaft kennenzulernen, da sie von Anfang an – sozusagen mit der Einbestellung der internen Kräfte durch den KDD an den Fundort – in diese involviert sei. In anderen Kommissionen des KU würde der Fokus innerhalb der Praktikantenanleitung ja eher auf der segmentierten, dem ganzheitlichen Prinzip widersprechenden Aufgabenbearbeitung liegen. Während sie, Paula Steiner, sich als Polizeihauptsachbearbeiterin auch aufgrund ihrer Kommissionsgröße noch intensiv-begleitend der durchlaufenden Praktikanten annehmen könne. Sie las sich den letzten Absatz nochmals aufmerksam durch und erschrak über ihr geschraubtes, aufgeblähtes Deutsch. Strich das »involviert« und den »Fokus«, ersetzte es durch »eingeschlossen« und »Hauptaugenmerk« und schickte die Mail ab.
    Dann wählte sie die Nummer der Gerichtsmedizin und verlangte Dr. Frieder Müdsam. Als Erstes erkundigte sich Müdsam nach Heinrichs Befinden. Sie antwortete ausweichend, sie als Nicht-Medizinerin könne das nicht richtig einschätzen. Seine zweite Frage konnte sie offener beantworten.
    »Ja, natürlich, jeden Tag besuche ich

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