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Duerers Haende

Duerers Haende

Titel: Duerers Haende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Kirsch
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Nussbaummöbeln, die in seltsamem Kontrast zu den hellgrauen Wänden und Aluminiumfenstern standen. Schreibtisch, Regale, Besucherstühle, alles aus diesem schwarzbraunen Holz, ein typisches Chefzimmer der sechziger, siebziger Jahre. Sicher eine Reminiszenz an die Gründerzeit von Frey-Trans, als Siegfried Frey hier noch allein das Sagen hatte. Sie setzte sich auf einen der mit Leder gepolsterten Sessel und war überrascht, wie angenehm, ja gar behaglich es sich auf diesem hässlichen Trumm sitzen ließ.
    »Warum haben Sie die Polizei angerufen, Herr Frey?«
    »Einer unserer Fahrer hätte sich schon dreimal bei uns melden sollen, gestern zweimal, heute einmal. Das ist so Vorschrift bei uns. Hat er aber nicht. Und wir können ihn umgekehrt auch nicht erreichen. Der Lkw hat kein Transport-Infosystem, also kein integriertes Ortungssystem wie die meisten unserer Wagen. Mit dem Laster ist was passiert. Ich mache mir Sorgen. Wir alle machen uns Sorgen.«
    »Der Fahrer heißt Shengali, Abdulaziz Shengali?«
    »Ja. Woher wissen Sie das, wenn Sie doch von der Mordkommission …«
    »Shengali ist heute Morgen ermordet aufgefunden worden. Deswegen sind Frau Brunner und ich hier.«
    »Abdu ermordet?« Frey starrte sie ungläubig an. »Wirklich, unser Abdu?« Sie nickte. »Das ist ja entsetzlich. Furchtbar. Aber warum denn? Wer tut denn so was?«
    »Warum und wer, das wissen wir nicht. Noch nicht. Wann ist Shengali gestern weggefahren? Ich nehme an, er ist von hier aus, von der Spedition, gestartet. Oder?«
    »Ja, er war hier, hat den Lkw geholt und ist noch vor sieben Uhr weg.«
    »Ach, Sie haben ihn gesehen?«
    »Nein, ich nicht. Das ist der Vorteil als Seniorchef, dass man länger schlafen kann. Bis vor fünf Jahren war ich in der Früh der Erste, der da war, und abends der Letzte, der ging. Diesen Part hat jetzt mein Sohn. Joachim hat Abdu gesehen, wie er den Hof verließ.«
    »Dann wissen Sie wahrscheinlich auch nicht, was er geladen hatte?«
    »Natürlich weiß ich das. Ich verbringe zwar nicht mehr den ganzen Tag in meiner Firma, aber immer noch lang genug, um den Überblick nicht zu verlieren. Ich habe mein Geschäft noch voll im Griff, das können Sie mir glauben. Ich gehöre nicht zum alten Eisen.«
    Sie hatte ihn mit ihrer Frage in seinem Stolz verletzt, das war wohl die empfindliche Seite des Seniorchefs.
    »Aber um Ihre Frage zu beantworten: Abdu hatte Zigaretten und Parfüm geladen. Er hatte schon seit Monaten die Albanientour. Wo hat man Herrn Shengali denn gefunden? In Deutschland oder schon im Ausland?«
    »In Deutschland. Ganz in der Nähe. Vor dem Wasserwerk in Erlenstegen.«
    »Erlenstegen? Warum Erlenstegen? Das liegt doch gar nicht auf seiner Route.« Frey hielt inne; man sah ihm an, dass ihm das, was er nun sagen wollte, schwerfiel. »Halten Sie mich bitte nicht für pietätlos, wenn ich das jetzt frage, aber das war ja unter anderem der eigentliche Grund, mich an die Polizei zu wenden. Dann haben Sie den Laster auch gefunden, vor dem Wasserwerk in Erlenstegen?«
    »Nein, Herr Frey. Bis jetzt nicht. Aber Sie haben die Fahndungsstelle ja schon informiert, mehr können Sie im Moment nicht machen. War das eine wertvolle Fracht, die Shengali hatte?«
    »Was heißt wertvoll? Für uns nicht. Für uns war das Durchschnitt. Eben Parfüm und Zigaretten. Circa dreihundertfünfzigtausend Euro, jede unserer Albanienfuhren hat ungefähr diesen Frachtwert. Plus/minus zehn Prozent. Wenn Sie den genauen Betrag brauchen, rufe ich im Büro an und lass ihn mir sagen.«
    »Ja, bitte.«
    Während Siegfried Frey das Telefonat führte, stand Paula Steiner auf und betrachtete das einzige gerahmte Bild, das diesen Raum schmücken sollte, aus der Nähe. Es hing hinter Freys Schreibtisch. Ein Schwarz-Weiß-Foto aus den späten vierziger Jahren von zwei Mercedes-Lastwagen, dazwischen zwei ernste schmale Männer in Arbeitskleidung – einer davon mit Cordhut –, die sich gegenseitig die Arme um die Schultern legten, auf der Fahrertür der Schriftzug »Gebrüder Frey. Nürnberg«.
    »Wie ich vermutet hatte, es waren knapp dreihundertfünfzigtausend Euro Frachtwert, auf den Cent genau 347.400,50 Euro.«
    Er drehte sich nach ihr um. »Ah, da sind Sie. So hat es bei uns angefangen, 1948. Mein Vater und mein Onkel haben das Unternehmen gegründet. Die haben das nach dem Krieg quasi aus dem Nichts aufgebaut. Mein Onkel hatte keine Kinder, so habe ich die Firma bekommen, 1978 war das. Und wieder dreißig Jahre später, nämlich 2008, hat sie

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