Duerers Haende
mein Sohn Joachim übernommen.« Er musste über diese Laune des Zufalls lächeln. »2038 wird dessen Sohn Frey-Trans bekommen. Das ist beschlossene Sache. Sie sehen, pünktlich alle dreißig Jahre geben wir die Firma an die nächste Generation weiter.«
Sie setzte sich wieder. »Dann ist also schon ein Nachfolger da?«
Augenblicklich erstarb das Lächeln. »Nein. Eben nicht. Noch nicht einmal eine Frau ist da, ich meine: eine Ehefrau. Joachim lässt sich auf diesem Gebiet viel Zeit. Bei allem anderen pressiert es ihm, nur da nicht. Leider.«
»Wie war denn Herr Shengali so?«
»Als Mensch oder als Fahrer?«
»Als Mensch und als Fahrer.«
»Abdu ist immer freundlich, höflich. Entgegenkommend und zuverlässig. Beziehungsweise, er ist es gewesen. Ein richtiger Pfundskerl. Ich mag es gar nicht glauben …« Plötzlich hellte sich Freys Miene hoffnungsvoll auf. »Woher wissen Sie überhaupt, dass der tote Mann unser Abdu ist? Den Lkw haben Sie ja auch nicht. Da könnte es doch gut möglich sein, dass es sich um eine Verwechslung handelt?«
»Nein, das ist ausgeschlossen. Er trug seine Papiere bei sich. Und demnach ist er es. Eindeutig.«
»Ach so. Schade. Wirklich schade. Ja, auch als Fahrer hat man sich auf ihn hundertprozentig verlassen können. Wissen Sie, wir haben nur erstklassige Mitarbeiter. Anders geht es nicht als kleiner Mittelständler in einem Gewerbe, in dem der absolute Konkurrenzkampf tobt. Ich kann mir Mittelmaß einfach nicht leisten. Am wenigsten beim Personal. Also haben wir nur sehr gute Fahrer. Und von denen war Abdu der beste. Da gab es nie irgendein Geschiss wegen Lenkzeitenüberschreitung, zu vielen Punkten oder Beschwerden von unseren Kunden. Nie.«
»Wie viel hat er bei Ihnen verdient?«
»Gut neunzehnhundert, das ist der Tariflohn für einen Berufskraftfahrer, plus Spesen für Übernachtung und Verpflegung. Macht noch mal vierundzwanzig Euro steuerfrei pro Tag.«
Sie klappte ihren Notizblock auf. »Chanim Ostapenko fährt auch für Sie?« Er nickte. »Shengalis Tochter sagte, Ostapenko ist ein Freund ihres Vaters gewesen. Würden Sie das auch so sehen?«
»Ja. Unsere Fahrer verstehen sich alle untereinander. Aber zwischen Chanim und Abdu ist oder jetzt, ja nun: war das Verhältnis schon ein besonderes, das über das rein Kollegiale weit hinausging. Ich würde das auch so ausdrücken: Die beiden waren gute Freunde. Das mag daran liegen, dass die zwei die einzigen Ausländer unter unseren Mitarbeitern sind.«
»Jetzt würden wir gern noch Ihren Sohn sprechen. Nur ganz kurz.«
»Das geht leider nicht. Joachim ist unterwegs. Manchmal springt er bei dem Express-Service hier in der Region ein, so wie heute. Er muss aber jeden Augenblick zurückkommen. Wenn Sie warten wollen? Lange kann es nicht mehr dauern.«
»Nein. Ich werde später mit ihm reden. Dann danke ich Ihnen also, Herr Frey, für die Zeit, die Sie sich für uns genommen haben. Ich wünsche Ihnen, dass Ihr Laster bald wieder auftaucht. Wenn Sie schon Ihren besten Fahrer verloren haben.«
»Ach, umgekehrt wäre es mir lieber. Es gibt zwar eine Menge Lauferei und Papierkram, aber gegen Diebstahl sind wir versichert.«
Als sie den Hof verlassen hatten, fragte sie Eva Brunner: »Was ist bei Ihnen von dieser Vernehmung hängen geblieben? Und – was würden Sie an meiner Stelle jetzt machen?«
»Erstens ist mir aufgefallen, wie begeistert der Frey von Shengali gesprochen hat. Der muss ihn richtig gern gemocht haben. Seinen Sohn hat er nicht so gelobt wie seinen Fahrer. Oder ist das jetzt vorschnell gedacht?«
»Nein. Den Eindruck hatte ich auch. Und zweitens?«
»Die Freundschaft zwischen den beiden Männern, zwischen Shengali und Ostapenko. Ich würde auf jeden Fall mit Ostapenko sprechen.«
»Richtig, das werde ich. Beziehungsweise das werden wir, wenn Sie dann noch Lust und Zeit haben, in unserer Mini-Kommission mitzuarbeiten. Noch was?«
Die Anwärterin dachte einen Moment nach. »Ja, ich bin mir aber nicht sicher. Ich finde es komisch, dass der Juniorchef heute, an einem solchen Tag, unterwegs ist. Warum kümmert er sich nicht selber um den Laster und überlässt das seinem Vater? Er ist doch jetzt der Chef. Seltsam ist das auch deswegen, weil es nur eine regionale, also eine kleine Tour zu sein scheint. Die hätte man sicher ohne große Verluste canceln können, meine ich.«
»Das weiß ich nicht, ob solche Fahrten bei einem mittelständischen Transportunternehmen so ohne Weiteres zu streichen sind. Das finde ich
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