Duerers Haende
genau demselben sprach ihre Intimfeindin Reußinger. Sogar die Augenbrauen zog die Teamleiterin entrüstet hoch, wie es die Chefsekretärin in solchen Fällen zu tun pflegte. Fehlte nur mehr das ungeduldige Stakkato-Getrommel mit den Fingerspitzen auf dem Schreibtisch.
»Erstens, Frau Entner, ersuchen wir nicht um Amtshilfe, sondern befragen Sie in einem laufenden Verfahren, bei dem in der Tat Eile geboten ist. Vielleicht sagt Ihnen der Begriff ›Gefahr in Verzug‹ etwas?«
Erstaunt und entzückt blickte Heinrich bei dieser Frage zu ihr auf.
»Und zweitens, das nur zur Klarstellung, sind Herr Bartels und ich nicht verbeamtet. Drittens, dürfen wir, die wir lediglich Angestellte sind, auch dann Platz nehmen oder sollen wir die Befragung mit Ihnen im Stehen führen?«
Wortlos wies die Teamleiterin auf die beiden Besucherstühle, die vor ihrem mit allerhand Nippes vollgestellten Schreibtisch standen.
Paula Steiner setzte sich und sah nun auf ein Bataillon von Eulen und Uhus in allen möglichen Größen, Farben und Materialien. Irgendwo hatte sie einmal gelesen, dass fliegende Eulen als Glücksbringer galten, sitzende dagegen Unheilverkünder darstellen sollten. Das verstärkte ihre Abneigung gegen die Perlenohrring-Trägerin.
»Meine Fragen betreffen Herrn Abdulaziz Shengali, der in den vergangenen Jahren beim Arbeitsamt gemeldet war und der jetzt ermordet wurde. Dann habe ich noch ein paar Fragen zu den Anzeigen und Gutschei …«
»Ha«, triumphierte Frau B. Entner laut mit leuchtenden Augen, »unsere Kunden unterliegen dem Datenschutz, wir mithin der Verschwiegenheitspflicht. Darüber dürfen wir keine Auskunft erteilen. Dafür werden Sie sicher Verständnis haben. Vielleicht sagt Ihnen der Begriff Zeugnisverweigerungsrecht etwas?«
Das Zeugnisverweigerungsrecht wertete sie als Retourkutsche auf das »Gefahr in Verzug« der Kommissarin. Und jetzt endlich tat die Teamleiterin das, worauf Paula Steiner schon gewartet hatte – sie trommelte mit den Fingerkuppen laut auf der hellgrauen Schreibtischplatte.
»Ja, der Begriff sagt mir etwas. In diesem Fall ist er allerdings von Ihnen falsch gewählt, weil Sie uns gegenüber nicht in der Position sind, Ihr Zeugnis zu verweigern. Und nein, dafür habe ich kein Verständnis.«
Noch bevor sie geendet hatte, war ihr die Lust auf eine weitere Befragung, auf eine Fortsetzung dieses Geplänkels, das zu nichts führte als zu Verdruss auf beiden Seiten, vergangen. Sie verstummte für einen Moment. In dieser Pause meldete sich Heinrich zu Wort. Betont verständnisvoll und entgegenkommend nach beiden Seiten hin. Bemüht, das Gespräch zwischen den Streithennen, das bislang nur auf der Amtsebene geführt worden war und drohte, ebendort bald zum Erliegen zu kommen, auf einer anderen Ebene in Gang zu setzen.
»Natürlich, Frau Entner, hätten wir uns vorher von der zuständigen Staatsanwaltschaft die rechtliche Grundlage dafür einholen können oder auch sollen, dass die Verschwiegenheitspflicht in diesem speziellen Fall nicht greift. Dann wären wir eben eine halbe Stunde später hier zu Ihnen gekommen. Das macht aber, denke ich, keinen großen Unterschied. Sie würden uns bei unserer Arbeit sehr helfen, wenn Sie uns alles sagen, was meine Chefin wissen muss.«
Frau B. Entner überlegte. Nach einer angemessenen Zeit, die klarmachen sollte, dass sie sich aus freiem Willen entschieden hatte zu kooperieren, drückte sie auf eine Taste ihrer Computertastatur. Routiniert und wie beiläufig.
»So, ich habe den Kunden in der ZPDV gefunden. Was wollen Sie denn nun konkret wissen?«
»Welchen Kunden?«
»Herrn Shengali.«
»Ach so. Ja, eben was in diesem Zett-Pe-Dingsbums da steht. Zum Beispiel, ob und wann Shengali arbeitslos war.«
»Aus der Zentralen Personaldatenverwaltung«, entgegnete die Teamleiterin in tadelndem Ton, »geht hervor, dass Herr Shengali bei uns schon mal gemeldet war. Vor knapp drei Jahren.«
»Mehr steht da nicht drin?«, fragte Paula Steiner erstaunt.
»Doch. Aber Sie haben ja nur danach gefragt, ob der Kunde bereits bei uns gemeldet war.«
Frau B. Entner spielte mit ihr Katz und Maus. Ein dummes, überflüssiges, ärgerliches Spiel, das ihr den Part der übertölpelten Katze zuwies und das ihre Geduld schon jetzt überforderte. Nun war sie es, die überlegte. Am besten wäre es, sie würde diese verstockte Person ins Präsidium vorladen, mitsamt ihrem Zett-Pe-De-Vau.
Da griff Heinrich zum zweiten Mal ausgleichend in das Gespräch ein. »Wie lange
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