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Duerers Haende

Duerers Haende

Titel: Duerers Haende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Kirsch
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ausschließen können wir es nicht. Dieses Symbol, wie du es nennst, kann aber auch eine Warnung sein. Der Täter wollte damit irgendjemandem etwas sagen. In dem Fall hätte er allerdings Pech gehabt. Die Zeitungen haben über den Mord nur am Rande berichtet. Und über die betenden Hände überhaupt nicht. Ja, ich glaube immer mehr, das war eine kalkulierte Warnung, nicht das Arrangement eines Kranken oder Wahnsinnigen. Eine Drohgebärde, die – wegen der Zurückhaltung der Presse – allerdings verpufft ist. Pech für den Mörder.«
    »Auf jeden Fall ist es ein Symbol.«
    Sie nickte zustimmend. »Das sehe ich genauso. Aber wofür? Wen wollte der Täter damit warnen? Welches Tabu des Mörders hat Shengali verletzt?«
    »Das ist eigentlich zweitrangig. Ein Symbol stellt eben nicht die Wirklichkeit dar, die sich von uns rational überprüfen lässt. Der wir ermittlungstechnisch nachgehen können. Viel wichtiger ist doch, was dieses Symbol von ihm, dem Täter, preisgibt.«
    »Und was gibt es deiner Meinung nach preis?«
    »Seine Einstellung, seine innere Haltung. Ich werde in der Richtung recherchieren.«
    Sie staunte über Heinrich. Bewunderte ihn sogar ein wenig für seine sehr abgehobenen, aber in sich schlüssigen Gedanken. Es war richtig von ihr gewesen, ihm die betenden Hände auf dem Silbertablett anzubieten. Zum Teil auch berechnend, denn sie wusste, wie sich Heinrich in ein solches Thema hineingraben würde. Nun hatte er die Verantwortung dafür. Und doch, irgendetwas an seiner Theorie störte sie.
    »Aber die innere Haltung dieses Täters zu erkennen, stelle ich mir im luftleeren Raum recht schwierig vor. Mit einem Rückbezug zu dem vermuteten Tabubruch, den Shengali begangen haben könnte, würden wir uns leichter tun. Und in der Richtung haben wir bislang noch gar nichts. Kein Motiv, nicht das geringste. Auch keine einzige ernst zu nehmende Spur. Das Einzige, was wir haben, ist die Anzeigen-und-Gutschein-Geschichte. Um die kümmere ich mich jetzt.«
    Heinrich bestand darauf, sie zur Agentur für Arbeit am Richard-Wagner-Platz zu begleiten. Ihr war das recht. Sie zahlte. Heinrich bedankte sich für die Einladung. Und sagte dann: »Weißt du, dass das heute eine Premiere ist? Wir sind noch nie irgendwo gemeinsam zum Essen hingegangen, ich meine, nur wir zwei.«
    »Ja, stimmt. Das sollten wir öfters machen. Und das nächste Mal nehmen wir Frau Brunner mit.«
    »Aber nur wenn sie vorher ein Schweigegelübde für mindestens eine Stunde ablegt.«
    Auf dem Weg überlegten sie gemeinsam, was Fleischmann mit diesen »Bestrebungen, Ihre Kommission einer anderen Kommission zuzuschlagen« gemeint haben konnte. Sie waren sich schnell einig: Das war das Werk von Jörg Trommen, der einen guten Draht zu Bauerreiß hatte und diese Verbindung zum Leitenden Kriminaldirektor auch mit viel Einsatz und Umsicht pflegte. Noch schneller waren sich die Hauptkommissarin und der Oberkommissar einig in ihrem Urteil über den Kollegen.
    »Das ist ein solcher Schleimer, das tut ja schon weh«, ereiferte sich Heinrich. »Ein solches Quadratarschloch, der wird immer schlimmer. Warum macht er so was? Der hat doch schon sechs Leute. Reicht ihm das nicht? Kann der den Hals nicht voll genug kriegen?«
    »Anscheinend nicht. Wem Macht wichtig ist und wer viel davon hat, will immer mehr.«
    Noch bevor sie zu Ende gesprochen hatte, kamen diese »Bestrebungen« Trommens auf seine offene und überfällige Rechnung dazu. Der Kommissionsleiter war darüber hinaus ab sofort auch zur Zahlung von Zins und Zinseszins verpflichtet. Und zwar zu einem Wucherzinsbetrag.
    Schließlich hatten sie den Richard-Wagner-Platz erreicht. Ein riesiger unbehaglicher Platz, eine von etlichen stadtarchitektonischen Sünden Nürnbergs. Eine besonders schlimme, wie sie fand. Rechts das opulente Opernhaus im zugeschnörkelten Jugendstil, links ein viergeschossiges Verwaltungsgebäude in seiner Zigarrenkistenanmutung aus den späten dreißiger Jahren, dahinter der postmoderne klobige Kasten der Agentur für Arbeit, beigefarben und abweisend mit seinen schmalen hohen Fenstern, die Schießscharten glichen. Zwischen all diesem Stil-Kuddelmuddel eine freie, mit Platten zugepflasterte Fläche: der Richard-Wagner-Platz, über den sich jetzt auffallend viele sorglos bis schlecht gekleidete Menschen – viele im Trainingsanzug und mit Turnschuhen – bewegten. Ein nur an der Straßenseite durch ein paar Bäume aufgelockerter Platz, ansonsten ein durch keine belaubte Pergola oder gar

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