Duerers Haende
Riesling in dem gut sortierten Weinregal. Nach den derben Bratwürsten samt deren eindimensionaler Begleitung hatte sie Appetit bekommen auf ein etwas raffinierteres Abendmahl.
Als sie die erworbenen Schätze daheim auspackte, kam sie sich wohlhabend und geschmäcklerisch zugleich vor – gleich zwei warme Mahlzeiten am Tag. Und eine davon sogar mit derart exotischen Erzeugnissen wie Granatapfel und Pekannüssen. Bevor sie sich an das Ausnehmen des Fischs machte, entkorkte sie die Weinflasche und füllte sich ein großes Glas ein. Bereits beim ersten Schluck dachte sie, was sie immer dachte, wenn sie einen Riesling probierte: dass sie im Prinzip doch alle anderen Weißweine daneben vergessen könne. Dass sie es weitaus einfacher und auch kostengünstiger haben würde, wenn sie in Zukunft nur mehr diesen herrlich süffigen Qualitätswein trinken würde.
Als die Forelle mitsamt ihrer Zwiebelfüllung im Backofen schmorte und die Granatapfelkerne in dem Essigsud mit der Petersilie, den Nüssen und dem Kardamon köchelten, war die Hälfte der Flasche leer und die trinkfeste Paula Steiner ein wenig angeheitert, gleichzeitig aber von diesem denkwürdigen Tag dermaßen berauscht, dass sie dasig lächelnd und auch ein bisschen blöde aus dem Küchenfenster hinüber zur Burg starrte. Das Leben, dachte sie, kann manchmal so schön sein.
6
Nach einem friedlichen Wochenende voll ausreichend Schlaf machte sie sich am Montag bereits um halb acht Uhr auf den Weg. Beim Überqueren der Fleischbrücke sah sie hinunter auf die träge dahinfließende grau-mehlige Pegnitz und war begeistert. Selbst das große Café in der alten Fleischbank – einer der zahlreichen Ableger einer US-amerikanischen Kette, über die sie sich sonst aufregte – störte sie heute nicht. Heute registrierte sie nur das Schöne an ihrer Heimatstadt, das, wovor auch die Tagestouristen in der Regel staunend standen. Und da es auf der regulären Route zu ihrem Arbeitsplatz davon nichts Bemerkenswertes mehr gab, wählte sie den Schlenker über den Schleifersteg und Trödelmarkt, der sich in den letzten Jahren zu einem hübschen autofreien Platz mit Bänken, Bäumen und edlen Geschäften gemausert hatte.
Zu ihrer Überraschung war sie nicht die Erste im Büro – ihre beiden Mitarbeiter saßen bereits stumm und einträchtig an ihren Schreibtischen.
»Wir haben gedacht, wir warten«, sagte Heinrich mit einem ironischen Lächeln, »bis du da bist. Damit wir nicht alles doppelt erzählen müssen.«
»Okay«, antwortete sie, »dann bringen wir es hinter uns. Frau Brunner, was hat die Vernehmung von Herrn Eshaya ergeben? Aber bitte, halten Sie sich kurz. Nur die wichtigsten Fakten.«
Die Kommissaranwärterin sah auf ihren vollgeschriebenen Block. »Gut. Es ist wirklich so, wie Sie vermutet hatten, Frau Steiner. Der Neffe ist jetzt der Familienvorstand der Shengalis. Er hat diese Aufgabe übernommen, weil er der einzige männliche Verwandte der Familie ist, der in Deutschland lebt. Wollen Sie wissen, was da alles auf ihn zukommt, wofür er zuständig ist?«
Sie schüttelte entschieden den Kopf. »Nein. Das spielt keine Rolle. Nur eins interessiert mich: Ist bei Ihrer Vernehmung irgendwann die Rede auf Solins Kleidung und Schminkerei gekommen?«
»Ja. Ich habe ihn danach gefragt, indirekt und ganz vorsichtig, um ihn nicht vor den Kopf zu stoßen, denn ich glaube, Herr Eshaya ist da sehr empfindsam. Aber er scheint kein Problem damit zu haben. Womit er allerdings ein Problem hat, ist, dass sein Onkel noch immer nicht von der Rechtsmedizin freigegeben wurde. Denn Muslime, und Shengali war ja gläubiger Muslim, wenn auch nicht ein ganz strenger, haben andere Beerdigungsvorschriften als wir. Das ist im Übrigen sehr interessant«, Eva Brunner sah kurz von ihrem Block auf, »wie das im Islam alles zusammenhängt und welche Gründe es wofür gibt. Also, ein Muslim muss, wenn er gestorben ist, egal ob an einem natürlichen oder an einem gewaltsamen Tod, innerhalb einer sehr kurzen Zeit beerdigt werden. Das kommt historisch daher, weil …«
»Das weiß ich alles«, unterbrach Paula Steiner. »Aber das geht in diesem Fall eben nicht. Rufen Sie doch später Dr. Müdsam von der Gerichtsmedizin an und fragen Sie ihn, wann er die Leiche freigibt. Dann haben Herr Eshaya und Frau Shengali wenigstens einen Anhaltspunkt, wann sie das Begräbnis organisieren können. Und weiter, was hat das Gespräch noch erbracht? Was wusste Eshaya zum Beispiel über Feinde oder Freunde seines
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