Duerers Haende
Brunnen verschönerter Ort, und in ebendieser Unaufgeräumtheit, Unbehaustheit so typisch für vieles, was südlich des Nürnberger Hauptbahnhofs lag. Obwohl sich an diesem frühen verregneten Nachmittag kein Lüftchen regte, hatte man hier den Eindruck, der Wind pfeife aus allen Richtungen.
Sie betraten die Agentur und nahmen Kurs auf die Rezeption, die links hinten in der Eingangshalle mit ihren vielen Wegweisern und Verwaltungsschildern lag. Dort mussten sie eine Weile warten, bis sie an der Reihe waren.
»Was kann ich für Sie tun?«, wurden sie von einer jungen Frau in bemüht neutralem Ton gefragt.
»Wir sind von der Polizei, Kripo Nürnberg. Wir ermitteln in einem Mordfall«, sagte Paula Steiner in der Hoffnung, durch den Verweis auf ein Kapitalverbrechen in diesem Amtsdschungel schneller ans Ziel zu kommen. »Wir brauchen kompetente Auskunft über Anzeigen und Gutscheine. Und über einen Toten namens Shengali, der bei Ihnen mal gemeldet war.«
»Welche Anzeigen, welche Gutscheine? Wann war der Mann bei uns gemeldet, in welcher Zeit?«
Sie merkte, wie sie ungeduldig wurde. So antwortete sie betont freundlich: »Das wissen wir leider nicht. Da sind wir auf Ihre Hilfe angewiesen.«
»Möchten Sie mit unserer Pressestelle sprechen?«
»Ich fürchte, das bringt uns nicht weiter. Wer hier einmal gemeldet war, hat doch einen zuständigen Arbeitsvermittler? Oder täusche ich mich da?«
»Nein, das ist richtig.«
»Gut, diesen Vermittler, der für Abdulaziz Shengali zuständig war, möchten wir sprechen.«
»Shengali ist der Nachname, richtig? Mit Sh oder Sch?«
Sie buchstabierte den Namen, laut und langsam.
Ohne ein weiteres Wort griff die Rezeptionistin zum Telefonhörer. Anscheinend wurde die junge Frau hausintern mehrere Male verbunden, denn sie erwähnte die beiden Worte Kriminalpolizei und Shengali in dem folgenden Telefonat öfter. Paula Steiner sah auf die Uhr, dann auf Heinrich. Dieser hatte sein spöttischstes Lächeln aufgesetzt und war einen Schritt von ihr abgerückt, um seiner Chefin mehr Raum für ihren großen Auftritt, der seiner Meinung nach bald folgen würde, zu geben. Und wohl auch, um sie dabei aus der Distanz besser beobachten zu können.
Die Rezeptionistin legte den Hörer auf. »Sie sollen Ihre Fragen schriftlich bei uns einreichen. Wir werden uns bemühen, sie möglichst zeitnah zu beantworten. Als Adresse geben Sie bitte …«
»Jetzt hören Sie mal gut zu, Frau …« Paula Steiner suchte vergebens nach einem Namensschild an diesem emotionslosen Behördenwesen mit seinem Behördendeutsch, das so hervorragend zu dem unverbindlichen Beige dieses Amtes passte. »Wir werden hier keine Fragen einreichen. Wir suchen nämlich keine Arbeit, wir haben bereits eine. Und zwar eine, die sich mit der Aufklärung von Mordfällen befasst. Sollte ich nicht innerhalb der nächsten zehn Minuten hier mit jemandem sprechen, der eine absolut zeitnahe Antwort auf alle meine Fragen weiß, dann werde ich bei Ihnen allerdings etwas einreichen. Und das heißt: Dienstaufsichtsbeschwerde wegen fortgesetzter plus vorsätzlicher Zeugnisverweigerung in einem laufenden Ermittlungsverfahren.«
Erneuter Griff zum Telefonhörer. Erregtes Wispern. Dann die Zusage: »Die Leiterin des zuständigen Teams, in dem der Vermittler, den Sie sprechen möchten, arbeitet, erwartet Sie. Dritter Stock, Zimmer 308.«
Als sie die Treppe in die dritte Etage hinaufstiegen, sagte Heinrich: »Darf ich mal fragen, was das ist – fortgesetzte plus vorsätzliche Zeugnisverweigerung?«
»Das, was du gerade da unten im Ansatz erlebt hast. Diesen Amtsmenschen kannst du nur einigermaßen beikommen, wenn du ihre Sprache sprichst und sie dabei noch übertriffst. Ich fürchte, für diese Teamleiterin werden wir uns in der Hinsicht etwas ganz Spezielles einfallen lassen müssen.«
Sie sollte recht behalten. Frau B. Entner/Teamleiterin – kurze rot gefärbte Haare, die wie eine eng anliegende Kappe ihr breites pralles Gesicht umgaben, Perlenohrringe, weinrote Schleifenbluse – war ihr Unmut, von zwei Polizisten so kurz nach der Mittagspause von ihrer Arbeit abgehalten zu werden, deutlich anzumerken. Und anzuhören.
»Das muss ja sehr dringend sein, dass Sie sich nicht an die Gepflogenheiten, die bei Amtshilfe unter Kollegen üblich sind, halten können. Wird man bei Ihnen im Polizeipräsidium auch sofort zu jedem Beamten vorgelassen? Haben Sie bei der Polizei so viel Zeit? Wir nicht.«
Diesen muffigen, abweisenden Ton kannte sie. In
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