Duerers Haende
Ihre vorläufigen Ermittlungsergebnisse zum Fall Shengali innerhalb der nächsten Stunde zu. Aber nicht dieses Wischiwaschi, das Sie vorhin abgesondert haben.«
Froh gelaunt kehrte sie in ihr Büro zurück. Eva Brunner sprach soeben von ihrem Telefon aus mit Dr. Müdsam. Sie griff zum Hörer, fragte zuvor noch »Darf ich?« und flüsterte in die Sprechmuschel: »Frieder, eine gute Nachricht. Du und dein Institut, ihr seid aus dem Schneider. Endgültig.«
»Habe ich das etwa dir zu verdanken?«
»Nein«, lachte sie, »dafür stehe ich in der Hierarchie zu weit unten. Bedank dich, wenn überhaupt, bei Fleischmann. Das hat er großartig gemacht. Der hat unseren lieben Kollegen soeben sauber ausgebremst, eine taktische Meisterleistung.« Dann gab sie den Hörer mit einer entschuldigenden Geste an die Anwärterin zurück.
Die folgende Stunde verbrachte sie mit dem Abarbeiten ihres vorrangigen Auftrags – mit dem Formulieren des Berichts an Fleischmann. Darin war nun nicht mehr die Rede von ergiebigen Spuren, zahlreichen Zeugenbefragungen oder komplexen Motivstrukturen, sondern lediglich von ihren Vermutungen und den Ungereimtheiten dieses Falls. Es wurde ein kurzer Bericht, aber sie war sicher, dass ihr Chef damit zufrieden war. Vorläufig zufrieden war.
Nachdem sie auf die Senden-Taste gedrückt hatte, sagte Eva Brunner: »Also, Herr Ostapenko ist bis einschließlich Donnerstag auf Tour. In Frankreich. Am Freitag könnte er um die Mittagszeit zu uns kommen. Soll ich diesen Termin bestätigen?«
»Ja, das ist uns sehr recht. Da werden wir Frau Vitzthum an einem der nächsten Abende, an denen ihr Mann auswärts ist, besuchen. Haben Sie noch etwas erreichen können?«
»Der Leichnam von Shengali wird Mitte dieser Woche freigegeben. Ich habe Herrn Eshaya davon bereits in Kenntnis gesetzt, er wird sich dann um die Beerdigung kümmern. Außerdem hat er mir versprochen, diese Information auch an seine Tante weiterzugeben. Und an die Automodelle mach ich mich jetzt dran.«
»Sehr gut. Wenn Sie damit fertig sind, fahren Sie zu Ihrem Zeugen und legen ihm Ihre Liste vor. Wenn das heute noch ginge, wäre mir das sehr lieb. Wir, Herr Bartels und ich, machen uns jetzt auf den Weg zur Spedition, dann zu dieser privaten Arbeitsvermittlung. Sie haben also viel Zeit.«
»Ohne Anmeldung?«, fragte Heinrich. »Und wenn keiner von denen da ist, den wir sprechen wollen? Da fahren wir ja ins Ungewisse. Soll ich uns nicht besser vorher telefonisch anmelden?«
»Nein, sollst du nicht. Ich liebe Überraschungsbesuche. Vor allem dann, wenn ich der Überraschungsgast bin. Oft genug ist man der Wahrheit da viel dichter auf den Fersen als bei Vernehmungen, auf die sich die andere Seite vorbereiten kann.«
Während der Fahrt zum Hafen gingen sie noch einmal die Abfuhr, die Trommen auf der Konferenz hatte einstecken müssen, detailreich durch. Es herrschte also blendende Laune, als sie um kurz vor dreizehn Uhr in die Donaustraße einbogen.
Paula Steiner hatte erwartet, auf Frey senior zu treffen, doch diesmal zeigte er sich nicht. Der Hof war wie leergefegt, und auch das Gebäude selbst wirkte verlassen. Heinrich hielt vor dem Areal und stellte den Motor ab. Als sie aus dem Wagen stiegen, erkannte sie, wie sich hinter dem äußersten linken Fenster zwei Schatten bewegten. Es musste also jemand da sein. Langsam marschierten sie auf den Haupteingang zu. Zwei Minuten nachdem sie den Klingelknopf betätigt hatte, öffnete ihnen endlich ein großer, ziemlich dicker Mann die Tür. Rundes Gesicht, dunkelbraunes lockiges, fast schon krauses Haar, das ihm fettig bis auf die Schultern herabhing, schwarze Jeans und ein ehemals schwarzes, jetzt vom vielen Waschen ausgebleichtes T-Shirt mit dem sicher auch ehemals weißen, jetzt schmutziggrauen Aufdruck »Böhse Onkelz« auf Brusthöhe. Er war ihr vom ersten Augenblick an unsympathisch.
»Ja? Was ist denn?«, fragte er unfreundlich.
Sie erkannte seine Stimme. »Herr Frey, mein Name ist Steiner, Kripo Nürnberg. Wir haben schon zweimal miteinander telefoniert. Ich hätte heute noch ein paar Fragen an Sie. Das ist im Übrigen mein Kollege, Herr Bartels.«
Wortlos ließ er sie ein und führte sie nach links in einen langen schnurgeraden Flur. An dessen Ende eine offene Tür, daneben ein Schild mit dem Aufdruck »Joachim Frey – Geschäftsführer«. Frey betrat sein Zimmer als Erster, sie und Heinrich folgten ihm. Ein riesiger, durch eine offen stehende Schiebetür zweigeteilter Raum mit zwei lang
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