Duerers Haende
verweigert, was war der Grund? Wenn Sie dazu bitte ebenso wortreich und eloquent Stellung nehmen könnten, wie Sie das bisher getan haben. Andernfalls würden wir, lieber Herr Frey, den hässlichen und sicher unrichtigen Eindruck gewinnen, Sie hätten mit diesem Fall irgendetwas zu tun, was nicht hundertprozentig in Ordnung ist. Und das wollen wir beide doch nicht, oder?«
Jetzt zeigte Frey eine erste Reaktion. Eine nonverbale und eine verbale. Er befreite seine Arme ruckartig aus der Verschränkung, legte die Hände mit einem lauten Klatschen auf die Schreibtischplatte und sagte knurrend: »Ich rufe jetzt meinen Anwalt an.« Mit diesem Satz gewann der Dialog erstmals an Schwung, um umgehend und endgültig wieder in der Trübe dieses frühen Nürnberger Nachmittags zu verschwinden.
»Was, ein Anwalt?«, rief sie entgeistert, mit einem beleidigten Unterton, aus. »Genügen wir Ihnen nicht mehr als Gesprächspartner? Finden Sie unsere Konversation etwa langweilig? Also, ich nicht. Ich fand alles, was Sie sagten, sehr aufschlussreich, ungemein unterhaltsam, ja mitunter sogar spannend. Schade, dass Sie das anders sehen. Aber natürlich, Herr Frey, wenn Sie sich andernorts weiter mit uns unterhalten möchten, gerne und jederzeit. Dann aber möchten wir uns für Ihre großherzige Gastfreundschaft revanchieren und laden Sie hiermit ganz offiziell und sehr herzlich zu uns ins Präsidium ein. Sagen wir, übermorgen um fünfzehn Uhr? Kommt Ihnen das gelegen? Ja? Schön, dann freuen wir uns auf Sie und auf Ihren Rechtsanwalt. Vielleicht können Sie sich bis übermorgen auch an Ihre Gründe erinnern, die eine Entlassung Shengalis nahelegten. Ich fürchte nämlich, so einen netten Plausch wie heute werden wir dann nicht mehr haben.«
Sie erhob sich, Heinrich tat es ihr gleich. An der Tür drehte sie sich noch einmal zu Frey, der immer noch regungslos auf seinem Drehstuhl thronte. »Und es versteht sich natürlich von selbst, dass Sie auch denjenigen, der vor uns in den Genuss Ihrer überbordenden Gastfreundschaft kam, gerne mitbringen dürfen. Sie wissen schon, den mit dem silbergrauen Crossfire, der es leider so eilig hatte, dass Sie uns einander nicht vorstellen konnten.«
Sie sah den Widerspruch und dessen Falschheit, oder zumindest die Ahnung dieses Widerspruchs in seinen Augen aufblitzen und ebenso schnell wieder verlöschen. Da sie wusste, dass weitere Sticheleien sinnlos waren, ließ sie es dabei bewenden und wünschte ihm noch »einen schönen Tag«.
Als sie über den Hof zu ihrem Wagen gingen, sagte Heinrich: »Schade, dass die Eva nicht dabei war. Heute hätte sie was lernen können. Manchmal bist du richtig göttlich, Paula. Einfach einmalig.« Er zeigte anerkennend mit beiden Daumen nach oben. »Glaubst du, der Frey war es?«
»Nein, das glaube ich nicht. Aber irgendwie hängt er in der Sache mit drin, und wenn es nur ganz am Rand ist.«
»Also, ich glaube auch, er hängt mit drin, aber nicht am Rand, sondern mitten im Zentrum. Mensch, war das ein Arschloch! Und ich sage dir: Wer ein Böhse-Onkelz-T-Shirt trägt, macht auch vor anderen Sachen nicht Halt. Wann hast du denn den Crossfire gesehen?«
»Gleich am Anfang. Noch bevor ich die Stühle geholt habe. Aber Heinrich, das war nur ein Schuss ins Blaue. Das muss gar nichts zu bedeuten haben. Frey hat ja auch kaum darauf reagiert.«
»Doch, ich glaube schon, das hat was zu bedeuten«, widersprach er. »Ich ruf jetzt die Eva an und sag ihr, sie kann sich das mit der Modellliste sparen. Sie soll dem Rentner gleich ein Bild mit so einem Crossfire zeigen. Du wirst sehen, der erkennt den wieder.«
»Und selbst wenn? Ohne Kennzeichen? Ohne jeden weiteren Anhaltspunkt? Das bringt uns nicht weiter. Der Wagen kann ja auch aus dem Umland sein.«
»Rede doch nicht immer alles klein, was du herausgefunden hast! Jetzt haben wir schon mal den ersten Ermittlungserfolg. Und darauf kannst du stolz sein.«
Zu Heinrichs Bedauern war Eva Brunner bereits außer Haus, wie die Zentrale ihm mitteilte.
»Ihr habt sicher schon Freys Alibi überprüft. Oder?«, fragte er seine Vorgesetzte, nachdem er aufgelegt hatte.
»Puh, das kann ich dir im Augenblick nicht mit Bestimmtheit sagen. Er hat angegeben, daran kann ich mich noch erinnern, zur Tatzeit in Ansbach gewesen zu sein. Ich glaube, auf Kundenakquise«, antwortete sie ausweichend.
»Dann mach ich das, sobald wir wieder im Präsidium sind.«
Schließlich hatten sie ihr nächstes Ziel erreicht und stellten den Wagen auf dem
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