Duerers Haende
zuständig.
»Also, warum ist Ihr Betrieb heute zu?«, wandte sie sich wieder dem Seniorchef zu.
»Wegen einer Betriebsversammlung. Das machen wir einmal im Jahr, immer um diese Zeit.« Das klang schon wesentlich nachgiebiger. Sie merkte, dass Siegfried Frey das nassforsche Auftreten seines Sohnes peinlich war.
Sie hörte laute Rufe von der Donaustraße. Dann das Verstummen der Polizeisirenen.
»Einer von Ihnen beiden muss jetzt das Tor öffnen. Und zwar«, sie drehte sich zu Joachim Frey um, »flott, sonst erledigen wir von der Polizei das auf unsere Art und Weise.«
Bevor sein Sohn aufbrausend reagieren konnte, legte Siegfried Frey ihm mit einer begütigenden Geste die Hand auf die Schulter und sagte: »Ich mach das schon, Joachim. Bleib du hier und pass auf.«
Worauf sollte der Playboy des Monats aufpassen? Auf sie, auf Eva Brunner, die ihm offensichtlich gefiel, oder darauf, dass hier alles mit rechten Dingen zuging? Wahrscheinlich auf eine Kombination aus allem drei.
Wenige Minuten später war auch der schmale Pflasterstreifen zugeparkt. Heinrich hatte es gut gemeint und neben dem Schleppdienst die komplette Spurensicherung und drei Einsatzwagen in die Donaustraße einbestellt. Als der Crossfire endlich auf dem Tieflader stand, winkte sie Heinrich und Eva Brunner zu sich.
»Willst du den Frey nicht gleich mitnehmen?«, fragte Heinrich.
»Jetzt sofort nicht. Wir hören uns erst mal an, was die beiden zu dem Thema drohender Arbeitsplatzverlust zu sagen haben. Und zwar getrennt voneinander. Du und Frau Brunner, ihr sprecht mit dem Junior, derweil werde ich mich mit dem Senior unterhalten. Und, Heinrich, vergiss nicht, der Frey hat ein Alibi. Ein klasse Alibi. Frau Brunner hat das gestern noch gegengecheckt. Frag ihn auch, ob er sein Auto am Montag letzter Woche jemandem ausgeliehen hat. Das ist wichtig.«
»Und wenn er nichts sagt? So wie gestern.«
»Dann kannst du ihn immer noch vorläufig festnehmen und ins Präsidium bringen lassen. Aber keine Sorge, der wird reden. Da bin ich mir sicher.«
Als sie mit Siegfried Frey zu dessen Büro ging, stand auf dem schmalen Flur eine aufgeregt und lautstark diskutierende Menschentraube. Sie erkannte Chanim Ostapenko, der sie erstaunt anstarrte.
»Chef, was ist denn los?«, fragte ein untersetzter Mittvierziger in einem abgetragenen blauen Overall.
»Nix«, antwortete Frey barsch. »Gehts an eure Arbeit. Die Versammlung ist beendet.«
Erschrocken wichen seine Mitarbeiter vor ihm zurück. Sie hatte Mühe, ihm, der nun den langen Gang voranstürmte, zu folgen.
Wieder war sie erstaunt, wie bequem es sich auf diesen hässlichen Besuchersesseln sitzen ließ. Frey beobachtete sie wachsam und skeptisch.
»Ich hoffe, Herr Frey, Sie sind gesprächiger, als Ihr Sohn es gestern war. Er wollte uns partout auf ein paar Fragen nicht antworten. Eigentlich hat er gar nichts gesagt. Nur mit seinem Anwalt gedroht.«
Freys Kommentar dazu war lediglich ein Verschränken der Arme auf Brusthöhe, eine Geste, die ihr vom gestrigen Besuch noch vertraut war. Fast hätte sie es ihm gleich getan. Aber nur fast. So lehnte sie sich betont entspannt in das weiche Leder des Sessels zurück und lächelte ihn aufmunternd an.
»Finden Sie es nicht merkwürdig, dass Ihr Fahrer umgebracht wurde, aber gleichzeitig von der Ladung nichts fehlte? Keine einzige Flasche Parfüm, nicht eine Schachtel Zigaretten.«
»Was heißt hier schon merkwürdig? Ich kann mir die ganze Sache sowieso nicht erklären.«
»Gut. Sie sagten bei unserem ersten Gespräch, dass Ihr Sohn die Geschäfte im Großen und Ganzen jetzt allein führt. Schließt das auch die Einstellungen und Entlassungen ein?«
Frey sah sie fragend an. Er war auf der Hut. Sie spürte, für ihn hatte dieses Gespräch nur einen Zweck: keinen Fehler zu machen, seinen Sohn nicht durch ein unbedachtes Wort zu belasten. Und das konnte jedes Wort sein. Egal was diese dauerlächelnde Kommissarin von ihm wissen wollte.
»Oder sind Sie so weit noch ins Tagesgeschäft involviert, dass Ihnen der Begriff Eingliederungszuschuss etwas sagt?«
»Ja, der Begriff sagt mir etwas.«
»Dann wissen Sie vielleicht auch, dass Ihre Spedition für die Herren Ostapenko und Shengali dieses«, sie suchte nach einem passenden, also leicht vorwurfsvollen Ersatz für den neutral-amtlichen Begriff, »Kopfgeld von der Agentur für Arbeit erhalten hat, damit Sie sie einstellen. Jeweils sechs Monate den vollen Lohn für zwei Mitarbeiter. Macht zusammen
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