Duerers Haende
Blick über die Fenster des Erdgeschosses streifen. Überall diese heruntergelassenen hellgrauen Plastikjalousien, dahinter unbeleuchtete Zimmerfluchten.
Sie waren jetzt auf der rückwärtigen Seite angelangt, die kurz geschnittene Hainbuchenhecken von den benachbarten Grundstücken trennte. Auf dem schmalen gepflasterten Pfad blieb sie abrupt stehen und rief zufrieden aus: »Ui, was haben wir denn da Feines!«
Heinrich stellte sich neben sie. »Ha, es war also doch der böse Onkel. Ich hab halt ein Gespür für so was. Gib zu, ich hatte recht!«
»Ob du recht hattest, wird sich zeigen. Aber dass ich recht hatte mit meiner Gefahr in Verzug, hat sich schon gezeigt.«
Sie umrundeten den silbergrauen Crossfire und stierten von allen Seiten durch die leicht getönten Fenster ins Wageninnere. Sie sahen schwarze Ledersitze, leere Ablagefächer und eine Parkscheibe aus Hartplastik auf dem Beifahrersitz. Ansonsten nichts Auffälliges.
»Ich fürchte, diesmal kommen wir um das komplette Programm nicht herum. Also absperren, sichern und dann ab zum Erkennungsdienst, in unsere Fahrzeughalle. Die sollen den Wagen auf Herz und Nieren untersuchen.«
Heinrich nickte zustimmend. »Ich kümmere mich darum.«
»Und ich werde unsere Frau Brunner informieren. Die brauchen wir hier.« Sie griff in die Jackentasche und zog ihr Handy heraus. Schon nach dem ersten Klingelton meldete sie sich.
»Frau Brunner, Sie müssen jetzt doch über das Tor klettern. Wir haben hier hinten einen silbergrauen Crossfire gefunden. Der muss, bis die Kollegen eintreffen, von uns gesichert werden. Und für diese Aufgabe sind drei immer besser als zwei. Also, Sie kommen auf dem schnellsten Weg zur hinteren Seite des Geländes.«
Sie hörte ein metallisches Klacken, dann wurde der Empfang unterbrochen. Die Anwärterin war schon unterwegs.
Als sie ihr Handy wieder in der Jackentasche verstaute, eilte ein sichtlich aufgeregter Siegfried Frey auf sie zu.
»Guten Morgen, Frau Steiner, was machen Sie denn hier?«
»Guten Morgen. Wem gehört dieser Crossfire? Ist das Ihrer?«
»Nein. Der gehört Joachim. Aber ich verstehe nicht … Warum wollen Sie das wissen?«, fragte er zunehmend ungehaltener.
Eva Brunner traf ein und bezog aufrecht, mit leicht gegrätschten Beinen und verschränkten Armen vor dem wertvollen Fundstück Position. Auch ohne Uniform – eine Polizistin aus dem Bilderbuch.
Paula Steiner nickte ihr anerkennend zu und beantwortete dann Freys Frage. »Weil wir annehmen, dass es sich bei diesem Fahrzeug um exakt jenes handelt, mit dem der ermordete Shengali zum Wasserwerk in Erlenstegen verbracht wurde.«
»Was«, rief der Seniorchef entgeistert aus, »das glauben Sie doch selbst nicht! So ein Krampf! Dann hätte ja mein Sohn …« Den Rest ließ er unausgesprochen in der trüben, diesigen Luft des Nürnberger Hafens hängen, so absurd, ungeheuerlich und auch erschreckend war der Gedanke, der diesem Satzanfang hätte logischerweise folgen müssen. Er blickte die Kommissarin ernst und nachdenklich an.
»Mein Sohn hat mit dieser Sache nichts zu tun. Der war nämlich zur Tatzeit bei einem Neukunden. Sie haben doch selbst gesagt, Abdu wurde am Montagmorgen gegen acht Uhr umgebracht. Und da war Joachim in Ansbach. Sie können das überprüfen. Sie sollten das sogar überprüfen, bevor Sie solche Anschuldigungen in die Welt setzen. Das ist ja unfassbar, so was ist doch …«
»Mal was ganz anderes, Herr Frey«, sie ignorierte den Gefühlsausbruch sowie die darin versteckte Anweisung des Seniorchefs, »warum ist Ihr Betrieb heute eigentlich geschlossen? Am Telefon ist auch nur der Anrufbeantworter eingeschaltet.«
Bevor Frey zu einer Antwort ansetzen konnte, gesellte sich sein Sohn zu ihnen. Heute mit einem kurzärmligen T-Shirt, das der wenig glaubhafte Schriftzug »Playboy des Monats« knapp über dem stattlichen Kugelbauch zierte. In der Ferne waren die ersten Polizeisirenen zu hören, die langsam näher kamen.
»Vater, was gibt’s? Was haben Sie denn hier verloren? Wie kommen Sie überhaupt hier rein? Das ist ja Hausfriedensbruch. Dafür werde ich Sie verklagen. Wir brauchen kein Gschwerl von der Polizei auf unserem Hof. Raus hier, aber flott. Die da«, er deutete mit einem süffisanten Grinsen auf die Bilderbuch-Polizistin Brunner, »darf bleiben.«
Auch diese Fragen wurden ignoriert, samt der anschließenden Beamtenbeleidigung zweier Angestellter im Polizeidienst. Dafür fühlte die Kommissarin sich im Augenblick nicht
Weitere Kostenlose Bücher