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Duerers Haende

Duerers Haende

Titel: Duerers Haende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Kirsch
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vierundzwanzigtausend Euro. Eine stolze Summe, oder?«
    Frey nickte vorsichtig. »Ja, das weiß ich.«
    »Mal angenommen, Sie müssten Ostapenko und Shengali bewerten auf einer Skala von eins bis sechs, welche Noten bekämen sie von Ihnen?«
    Wieder dieser stumme skeptische Blick. Auch sie sagte nichts, zum Warten entschlossen.
    Nach einer langen Weile schien Frey seinen Widerstand so weit aufgegeben zu haben, dass er zumindest die letzte Frage beantworten wollte.
    »Abdu war ein Glücksfall für uns, er würde von mir und bestimmt auch von meinem Sohn eine glatte Eins bekommen. Chanim ist auch sehr gut, vielleicht nicht so überragend wie Abdu. Er würde von mir eine Zwei kriegen, eine Zwei plus.«
    »Aha. Zwei gute oder besser: sehr gute Mitarbeiter Ihrer Firma. Dann scheint sich ja die Investition des Steuerzahlers, der deren Bemühungen zur Arbeitsaufnahme mit immerhin achtundzwanzigtausend Euro subventioniert hat, gelohnt zu haben. Sie sind zufrieden mit Herrn Ostapenko beziehungsweise waren zufrieden mit Herrn Shengali?«
    »Ja. Aber ich verstehe nicht, was das alles mit dem …«
    »Schön«, unterbrach sie ihn. »Dann allerdings verstehe ich eines nicht, Herr Frey. Da sind zwei Mitarbeiter, mit denen Sie rundum zufrieden sind, die die besten Noten von Ihnen bekommen, bessere als alle anderen Fahrer. Warum will man so jemanden wieder loswerden? Was ist der Grund, dass Sie Shengali kündigen wollten?«
    Frey überlegte. Ihm war anzusehen, dass er soeben zwei Alternativen, eine so schäbig wie die andere, abwog. Sollte er so tun, als ob er davon nichts wüsste, oder sollte er die nackte Wahrheit wählen, die auf Außenstehende wie diese unbedarfte Kommissarin vielleicht einen herzlosen, nur auf den eigenen Vorteil bedachten Eindruck machen könnte? Er entschied sich für die Wahrheit.
    »Wissen Sie, Frau Steiner, mein Geschäft hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Das ist unglaublich hart geworden. Vor allem für uns Mittelständler. Früher hatte man noch, wenn man anständig, fleißig und zuverlässig arbeitete, ein gesichertes Einkommen, sein geregeltes Auskommen. Aber dadurch, dass die Grenzen in ganz Europa gefallen sind, kann heutzutage jeder Hanswurst, der einen Lkw-Führerschein hat, Fuhrunternehmer oder Spediteur werden. Jeder! Freilich hatten wir es früher auch mit Mitbewerbern zu tun. Aber in einem anderen Rahmen als jetzt, wo die Konkurrenz so riesengroß ist und mit Dumpingpreisen auf den Markt drängt. Da müssen wir sehen, wo wir bleiben. Sonst gehen wir unter. Da können wir nicht immer auf die Gefühle unserer Mitarbeiter Rücksicht nehmen. So schwer mir das persönlich auch fällt.«
    »Das verstehe ich. Aber was hat das mit der Kündigung zu tun?«, bohrte sie weiter.
    Frey richtete sich in seinem Chefsessel kerzengerade auf und atmete tief durch. »Sehen Sie, wir geben diesen Leuten, die uns das Arbeitsamt schickt, eine Beschäftigung. Die sie woanders als Ausländer mit ihrer Unerfahrenheit, ihrem schlechten Deutsch, ihren mangelnden Ortskenntnissen wahrscheinlich gar nicht bekommen würden. Wir geben ihnen Arbeit und bezahlen sie auch anständig, nach Tarif. Achtzehn Monate lang, denn um die Eingliederungszuschüsse zu erhalten, muss man die Nachbeschäftigungspflicht einhalten. Das heißt: Man muss nach der bezuschussten Zeit noch sechs Monate den vollen Lohn aus eigener Tasche zahlen.«
    »Und dann kriegt er die Kündigung. Nach dem Motto: Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen.« Freys weit hergeholte Erklärung für die geplante Entlassung hatte bei Paula Steiner ihren Zweck verfehlt. Sie war erbost und von Freys Kalkül angewidert.
    »Nein, so ist es nicht«, widersprach Frey. »Wir lassen unsere Mitarbeiter nicht im Regen stehen. Wir bieten ihnen die Möglichkeit, jederzeit zu uns zurückzukehren. Sie müssen sich …«
    »Wer ist ›sie‹?«, unterbrach sie ihn ungehalten. »Gibt es noch jemanden anderen außer Shengali, den Sie loswerden wollen?«
    »Natürlich. Ostapenko hat von uns auch die Kündigung erhalten. Zeitgleich mit Shengali. Ich dachte, das wissen Sie.«
    Sie starrte ihn an, aus unheilvoll zusammengekniffenen Augen. Am meisten erregte sie das »Natürlich«. Lapidarer konnte man die Überzeugung, auch moralisch im Recht zu sein, nicht ausdrücken. Sie schwieg. Was hätte sie diesem Monster auch Verletzendes an den Kopf werfen können, das ihn im Innersten treffen würde?
    »Also, sie müssen sich lediglich drei Monate beim Arbeitsamt

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