Duerers Haende
arbeitslos melden«, fuhr Frey fort, der ihr Schweigen gründlich missdeutete, »wo sie im Übrigen Arbeitslosengeld erhalten, also finanziell gut versorgt sind, dann können sie wieder bei uns anfangen. Zu denselben Konditionen.«
»Und diese Konditionen beinhalten auch die erneuten Eingliederungszuschüsse für Sie, oder?«
»Natürlich. Sonst könnten wir uns das ja gar nicht leisten. Das ist alles rechtens, da können Sie uns juristisch keinen Strick draus drehen.«
Sie hatte genug gehört. Und auch genug von diesem Menschen in seinem Chefsessel, von dessen weißem Haar, seiner gemütlichen grauen Strickjacke und der ausgebeulten Cordhose sie sich so hatte täuschen lassen. Das war kein Arbeitgeber alten Stils, der seinen Untergebenen gegenüber noch so etwas wie Wärme oder auch nur einen Funken Fürsorglichkeit empfand. Das war ein gefühlskalter, skrupelloser Unternehmer, dessen Handeln und Denken ausschließlich von den Prinzipien Geben und Nehmen geleitet wurde. Eine alte, hartherzige, verschrumpelte Krämerseele.
Ihre Abscheu vor Frey gewann durch ihre Enttäuschung noch an Schärfe. Hatte doch ihr größtes Unterpfand in diesem Fall, die Anzeigen und Gutscheine, sie nicht wie erhofft in die richtige Richtung geführt, sondern an das Ende einer Sackgasse, an dem sie nicht einmal mehr zum Wenden ansetzen konnte. Sie stand abrupt auf.
»Das, Herr Frey, obliegt auch nicht meinem Zuständigkeitsbereich. Ich habe einen Mord aufzuklären. Und ich bin sicher, der Wagen Ihres Sohnes respektive die Blutspuren darin werden mir da entscheidend weiterhelfen.«
Sie drehte sich um und verließ grußlos das Zimmer. Noch im Flur wählte sie die Handynummer von Eva Brunner.
»Ich bin mit Herrn Frey fertig. Wie schaut es bei Ihnen aus? Wie weit sind Sie und Heinrich?«
»Wir sind auch fertig. Wir warten auf dem Hof auf Sie.«
Auf der Fahrt ins Präsidium tauschten sie ihre gleichlautenden Vernehmungsergebnisse aus. Auch Frey junior hatte zugegeben, mit Shengali und Ostapenko über die Kündigung gesprochen und gleichzeitig eine erneute Einstellung nach der entsprechenden Wartefrist von drei Monaten in Aussicht gestellt zu haben. Allerdings hatte er sich im Gegensatz zu seinem Vater den Umweg über eine um Verständnis werbende Einleitung erspart. Die große Konkurrenz und die Dumpingpreise waren bei dem Junior chef außen vor geblieben.
»Das ist doch eine Riesensauerei«, empörte sich Heinrich, der am Steuer saß. »Kaum ist das Fördergeld rum, sitzen sie wieder auf der Straße. Diese Menschen werden behandelt wie eine x-beliebige Ware.«
»Überrascht dich das? Das werden sie doch überall.«
»Nicht überall, Paula. Es gibt Nischen, wo es noch einigermaßen anständig zugeht. Wo die Menschen nicht ausschließlich nach ihrem Marktwert hin- und hergeschoben werden.«
»Und das wäre wo?«
»Bei uns zum Beispiel, bei der Polizei.«
»Na, ich weiß nicht. Wenn ich da an die Pläne eines gewissen Herrn Trommen denke …«
Eva Brunner, die auf der Rückbank saß, beugte sich zu ihr vor. »Warum? Welche Pläne hat Herr Trommen?«
»Ach, nichts, was Sie betrifft. Aber was mich interessieren würde, Frau Brunner, welchen Stellenwert hat für Sie der Beruf, also Ihre Arbeit bei uns, bei der Polizei?«
»Den größten überhaupt«, kam es wie aus der Pistole geschossen. »Ich freue mich jeden Morgen, schon beim Aufstehen, auf meine Arbeit. Dass ich hierherkommen kann, dass ich die Kollegen treffe, die ja fast alle in Ordnung sind, dass ich was Sinnvolles tue, zusammen mit anderen, dass ich immer besser werde. Das alles. Ich bin manchmal richtig glücklich, wenn ich irgendwas Schwieriges herauskriege oder jemandem helfen kann. Wie zum Beispiel Ihnen, Frau Steiner.«
Sie sah zu Heinrich, der sich Mühe gab, sich das Lachen zu verbeißen. Sie jedoch konnte die junge Frau gut verstehen. Auch sie selbst war in den ersten fünf Jahren noch von dem Gedanken erfüllt gewesen, mit ihrer Arbeit entscheidend dazu beizutragen, dass die Menschen sicherer leben konnten. Dieser Glaube war ihr in letzter Zeit abhandengekommen. Seitdem fehlte ihr auch das Glück der Arbeit, von dem Eva Brunner so glaubhaft wie verlockend gesprochen hatte.
»Und du, Heinrich? Wie wichtig ist dir dein Beruf?«
»Nicht annähernd so wichtig wie dir, Eva. Nicht annähernd. Ich könnte gut und jederzeit darauf verzichten. Aber ich habe nun mal keinen reichen Erbonkel, sondern nur eine alte Oma mit einer mickrigen Rente. Also bleibt mir gar nichts
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