Duerers Haende
gesehen nicht.«
Nein, das meinte Herr Frey nicht. Herr Frey glaubte schon, was er ihr gegenüber gesagt hatte. Da war sie sich sicher. Sie dankte für die Auskünfte und hängte ein.
Oder hatte Frey sie doch angelogen? Um vor ihr ein besseres Bild abzugeben, das Bild des fürsorglichen Unternehmers, der seine »Mitarbeiter nicht im Regen stehen« lässt? Nein, in diesem Punkt war er ehrlich gewesen. Ehrlich und auf eine fast schon liebenswerte Weise naiv und dumm. Sie griff erneut zum Telefon.
»Steiner hier. Herr Frey, eine kleine nachträgliche Korrektur zu unserem Gespräch vorhin: Das Mohr-Prinzip gilt doch, auch in Ihrem Betrieb. Sie täuschen sich. Shengali und Ostapenko hätten nach ihrer Entlassung nicht einfach nach drei Monaten wieder bei Ihnen anfangen können. Zwischen Aus- und Einstellung müssen nämlich mindestens vier Jahre liegen. Aber ich darf Sie gleichzeitig beruhigen: Das Kopfgeld kriegen Sie auch weiterhin. Nur eben von anderen Mitarbeitern. Vielleicht diesmal keine Einser-Kandidaten, sondern zwei von der letzten Bank mit der Note mangelhaft bis ungenügend? Die brauchen ja schließlich auch eine Beschäftigung. Und die würden auch hervorragend zu Ihrem Saftladen passen, viel besser als Shengali und Ostapenko.«
Eine Weile war es stumm in der Leitung. Schließlich sagte Frey: »Das glaube ich Ihnen nicht. Joachim weiß da ganz genau Bescheid. Und er hat mir versichert, dass wir die beiden ganz schnell wieder bei uns …«
»Dann glauben Sie es halt nicht«, blaffte sie ihn an und hängte grußlos ein.
Das Telefonat hatte seinen Zweck erfüllt. Ihr war jetzt viel leichter zumute, die Wut über Frey war verflogen und der Ärger über ihre misslungene Strategie verraucht. Sie schloss die Fensterflügel, zog sich die Jacke über und ging heim.
Als sie ihre Wohnungstür aufsperrte, war es noch nicht einmal drei Uhr. Sie behielt die Jacke an, nahm den Autoschlüssel vom Schlüsselbrett und verließ die Wohnung wieder.
Nach einem Umweg ins Mögeldorfer Garten-Center stand sie eine Stunde später vor dem Häuschen ihrer Mutter. Diesmal war der Garten im Schlieffenweg verwaist. Kein Max, der sie schwanzwedelnd und überschwänglich begrüßte. Sie sah nach rechts. Das Aushubloch war noch immer leer und dunkel, auch die Bohnen waren nun abgeerntet, und die Astern wollten nicht blühen. Ein Garten, der den Großteil seines Charmes eingebüßt hatte, und das Mitte September. Sie klingelte. Kurze Zeit später stand ihre Mutter strahlend vor ihr, und Max sprang jauchzend an ihr hoch.
»Komm rein, Paula. Wir haben schon geheizt bei der Kälte jetzt draußen.«
Sie überreichte ihrer Mutter wortlos den Topf mit der prächtigen Salbeistaude, ging direkt ins Wohnzimmer und ließ sich der Länge nach auf das weiche taubenblaue Sofa fallen.
»Ist was? Geht’s dir nicht gut?«, fragte Johanna Steiner besorgt. »Hast du wieder deine Migräne?«
»Nein, mir geht es gut. Ich wollte es einfach nur mal für einen kurzen Augenblick richtig gemütlich haben.« Sie machte Anstalten, sich aufzurichten. »Aber jetzt geht es schon wieder.«
Ihre Mutter drückte sie sanft aufs Sofa zurück. »Bleib liegen. Ich mach uns erst mal einen Salbeitee. Max, komm, lass das Paulchen in Ruhe. Die muss sich ausruhen.«
Als sie aufwachte, war es bereits nach sechs. Auf dem niedrigen Couchtisch vor ihr standen eine Teetasse, eine Thermoskanne und ein Teller mit zwei Fleischsalat-Brötchenhälften. Sie sah zu ihrer Mutter, die an dem großen runden Esstisch eine Patience legte.
»Da hast du dir ja einen zauberhaften Gast eingefangen. Kommt rein, legt sich aufs Sofa und schläft einfach zwei Stunden durch.«
»Das macht doch nichts. Dann brauchst du diesen Schlaf auch. Geht es dir wirklich gut? Du schaust so müde aus.«
»Ach, mir macht mein Fall derzeit zu schaffen. Also nicht der Fall selbst, sondern das Drumherum. Da gibt es Leute, die wollen nichts anderes als arbeiten und machen alles, nur damit sie ihren Job nicht verlieren. Und auf der anderen Seite gibt es Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiter umeinanderschubsen, wie es ihnen gerade in den Kram passt. Ein Geschacher ist das, widerlich.« Sie schenkte sich Tee ein und biss in die Fleischsalatsemmel.
»Aber Paula, das war doch schon immer so. Dass gute Arbeit meist nicht geschätzt und anerkannt wird. Da hat sich nichts geändert.«
»Doch, das ist schon anders geworden, schlimmer. Mal eine andere Frage: Hast du eigentlich gern gearbeitet?«
»Was heißt hier:
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