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Duerers Haende

Duerers Haende

Titel: Duerers Haende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Kirsch
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ihrem Büro öffnete.
    »Du bist aber heute spät dran«, sagte Heinrich statt einer Begrüßung.
    »Ja, das ist richtig. Guten Morgen, Frau Brunner, guten Morgen, Heinrich«, entgegnete sie.
    »Die ersten Ergebnisse von der Untersuchung des Crossfire sind schon da. Müdsam hat gerade angerufen. Shengali wurde tatsächlich in Freys Auto spazieren gefahren. Ob er darin auch gestorben ist, konnte Müdsam noch nicht mit Gewissheit sagen. Er meinte aber, das liege nahe. Aber dass Shengali wahnsinnig viel Blut verloren hat, darin ist er sich sicher. Und dass der Chrysler gereinigt wurde, und zwar nach allen Regeln der Kunst, darin ist er sich auch sicher. Diese Spezialreinigung hat der Täter allerdings vergebens machen lassen, denn aus dem Leder kriegst du Blut so nicht heraus. Das wäre auch noch nach Jahren erkennbar, sagt Müdsam. Den Untersuchungsbericht schickt er, sobald alles abgeschlossen ist. Oder brauchst du den schon vorher?«
    »Nein, den brauchen wir vorerst nicht. Und sonst, wie schaut es beispielsweise mit Fingerabdrücken aus, hat Frieder dazu etwas gesagt?«
    »Nein, darüber machen sich jetzt unsere Kriminaltechniker her.«
    »Gut. Dann werden wir den bösen Onkel doch früher zu uns bitten müssen. Ach, Heinrich, du warst doch gestern mit Frau Brunner in Ansbach, hat das was Neues gebracht?«
    »Nein, das hätte ich dir schon erzählt. Der hat wirklich ein klasse Alibi. Zumindest für die Tatzeit. Trotzdem lügt er.«
    »Ja, das glaube ich auch. Und darum lassen wir ihn jetzt festnehmen. Frau Brunner, besorgen Sie uns einen Haftbefehl für Frey junior.«
    In diesem Moment ging die Tür auf, und Sandra Reußinger, heute streng und keusch in weißer Maggie-Thatcher-Rüschen-Bluse und damenhaftem, schmalem schwarzem Wollrock, betrat das Zimmer. In der Hand trug sie einen der im Haus üblichen grauen Schnellhefter, den sie jetzt mit Schwung und offensichtlichem Vergnügen auf Paula Steiners Schreibtisch schleuderte.
    »Da, diese Meldung haben wir soeben hereinbekommen. Kramer, Karsten, der gehört doch zu Ihrem Fall Shengali. Kümmern Sie sich drum.«
    Schlagartig, mit dem Auftreten dieser Möchtegern-Gutsherrin, die Arbeit an ihre Untergebenen verteilt, hatte Paula Steiner all ihre gute Laune eingebüßt, sodass nicht einmal mehr ein kleiner Rest davon übrig war, der zu einer ironischen Replik ausgereicht hätte.
    »Das sagt wer?«
    »Das sage ich«, antwortete mit einem aufgesetzten Lächeln die Chefsekretärin und verließ das Zimmer.
    Sie starrte auf den Schnellhefter, sah zu Heinrich, der mit den Achseln zuckte, dann zu Eva Brunner, die geschäftig in ihren Papieren kramte, packte das graue Kartonbündel und machte sich auf den Weg in die Teppichetage.
    Im Polizeipräsidium war soeben, ohne dass es jemand wissen konnte, ein Sprengsatz gezündet worden. Die Lunte brannte bereits, und sie war so lang wie der Weg von Paula Steiners Büro zu Kriminaloberrat Fleischmanns Vorzimmer.
    Dort blieb sie stehen und klopfte an die Tür. Geduldig wartete sie, bis das Herein erklang. Neben Sandra Reußinger standen Jörg Trommen und dessen willfährigster Mitarbeiter Winkler, das Trio infernale. Die zwei anderen Herren kannte sie nicht, wahrscheinlich Besuch für Fleischmann.
    Sie grüßte freundlich in die Runde und sprach dann die denkwürdigen Worte, die hausintern bald zu einer stehenden Redewendung werden sollten: »Wenn Sie dereinst einmal Leitender Kriminaldirektor sind, Frau Reußinger, woran ich meine Zweifel habe, dann können Sie mir gern und jederzeit Arbeit geben. Wenn ich dann noch da bin. Vorerst geht das nicht. Denn vorerst haben Sie dafür den Arsch zu weit unten. Und zwar entschieden zu weit unten.«
    Sie drückte der verdatterten Sekretärin, auf deren Gesicht sich eine flammende Röte kinnaufwärts ausbreitete, den Schnellhefter in die Hand, grüßte, drehte sich um und ging – noch immer ruhig und beherrscht – aus dem Zimmer.
    Draußen atmete sie tief durch, kehrte in ihr Büro zurück und wartete. Sie musste nicht lange warten. Eine Viertelstunde später stand Fleischmann in ihrem Zimmer, den grauen Schnellhefter im Arm. Er lächelte sie an.
    »Frau Brunner, Herr Bartels, wenn Sie so freundlich wären, uns mal eine halbe Stunde allein zu lassen, bitte? Ich habe mit Frau Steiner etwas Wichtiges zu bereden.«
    Sie wollte widersprechen, aber da waren Heinrich und die Anwärterin der Bitte des Kriminaloberrats bereits nachgekommen und nach draußen geeilt.
    Fleischmann setzte sich und schwieg.

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