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Duerers Haende

Duerers Haende

Titel: Duerers Haende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Kirsch
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Ruck stehen, hob langsam die darauf mittig abgestellte auberginefarbene Handtasche hoch, öffnete den Reißverschluss in Zeitlupentempo, entnahm der Tasche ohne Hast einen Pass und reichte ihn Paula Steiner schließlich. Mit amtlichem Blick blätterte sie darin und fand schnell, was sie einzig und allein an diesem Reisepass interessierte: das Alter von Kramers Freundin. Sie war erst sechsundzwanzig Jahre alt.
    Sie gab das Dokument mit ernster Miene an seine Eigentümerin zurück und sagte: »Bevor wir die Wohnung durchsuchen, hätte ich noch ein paar Fragen an Sie. Wo können wir uns setzen?«
    Wortlos deutete Frau Blahotova auf die gegenüberliegende offene Tür. Sie betrat als Erste die große Halle, die noch größer wirkte, weil sie kaum möbliert war. Ein langes, modernes weißes Sofa, davor ein größerer Bruder des Dielentischchens, links und rechts zwei Designersessel, ebenfalls in Weiß, gegenüber an der weißen Wand ein riesiger Flachbildschirm, darunter wieder ein hoher Glastisch, auf dem ein natürlich weißer Plattenspieler in Klavierlack thronte. Rechts ein in die Wand eingelassener offener, leerer Kamin aus Stein, daneben ein schweres und unbenutzt wirkendes Kaminbesteck. Kein Bücherregal, kein Teppich auf dem weiß gekalkten Eichenparkett, kein Esstisch, keine Pflanze, kein Bild, nicht ein Gegenstand, der Persönlichkeit verbreitete oder auch nur andeutete, dass dieser Raum ab und an bewohnt wurde. Was sollten sie hier durchsuchen?
    Sie setzte sich auf einen der Freischwinger, ihre Gastgeberin strich den Rock hinten glatt, bevor sie auf dem Sofa mit kerzengerader Haltung Platz nahm.
    »Also, wie bereits gesagt, Herr Kramer wurde gestern Abend ermordet. In seinem Büro. Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen?«
    Sie holte ihren Notizblock aus ihrer Handtasche und kramte nach einem Stift, so als ob sie sich Notizen machen wollte. Frau Blahotova wartete, bis ihre Suche den gewünschten Erfolg zeigte. Nachdem sie das einzige Schreibutensil, das ihre Tasche momentan zu bieten hatte, einen stumpfen Bleistiftstummel, herausgezogen hatte, antwortete die Tschechin: »Gestern um achtzehn Uhr.«
    »Wie lange war er hier?«
    »Den ganzen Nachmittag. Doch dann erhielt er einen Anruf von einem Bekannten, der ihn um Hilfe bat. Karsten musste noch einmal in die Firma. Er wollte gegen neun wieder da sein.«
    »Aber er war um einundzwanzig Uhr nicht wieder da.«
    »Nein.«
    »Haben Sie sich da keine Sorgen gemacht? Ihm hätte doch etwas passiert sein können.«
    »Doch, schon, natürlich habe ich mir Sorgen gemacht. Aber keine großen.«
    »Dann ist es also öfter vorgekommen, dass Herr Kramer über Nacht ausblieb.«
    »Nicht öfters, manchmal, selten. Immer wenn er arbeiten musste. Er schläft dann im Büro.«
    »Haben Sie im Büro, nachdem Herr Kramer die Wohnung gestern verlassen hatte, angerufen?«
    »Nein. Karsten wollte das nicht, dass ich in seinem Büro anrufe. Wenn er arbeitet, arbeitet er, sagte er, da wollte er von niemandem gestört werden.« Ihr Tonfall enthüllte, wie ungehörig, geradezu aufdringlich ein solches Benehmen auch in ihren Augen gewesen wäre.
    »Arbeiten Sie auch, Frau Blahotova?«
    »Ja, natürlich, ich bin Hausfrau. Ich halte Karstens Wohnung sauber.«
    »Und darüber hinaus, haben Sie einen Beruf erlernt, mit dem sich Geld verdienen lässt?«
    »Ja, ich habe einen Beruf. Aber ich muss kein Geld verdienen.«
    Diese Antwort konnte alles und nichts bedeuten. Und obwohl Paula Steiner wusste, dass auch ihre nächste Frage keinen Erfolg haben würde, stellte sie sie. Nein, antwortete die Tschechin erwartungsgemäß, sie glaube nicht, dass ihr Freund Feinde hatte. Und nochmals nein, sie wisse nichts von Leuten, mit denen Karsten Streit hatte.
    »Wo waren Sie gestern zwischen sieben und zehn Uhr abends?«
    »Hier, in der Wohnung. Ich habe auf Karsten gewartet.«
    »Allein, vermute ich.«
    »Ja, ich war allein.«
    Sie unterdrückte den Impuls zu fragen, was sie in dieser Wohnung mit ihrer kargen Einrichtung, die nur den notwendigsten Bedürfnissen Rechnung trug, denn die ganze Zeit gemacht, womit Susanka Blahotova sich den Abend über beschäftigt habe. Stattdessen musterte sie die Tschechin aufmerksam. Nein, das Hautfitzelchen des Dr. Grath stammte, soweit sie es sehen konnte, nicht von der Sechsundzwanzigjährigen.
    »Wohnte Herr Kramer hier zur Miete oder gehörte ihm die Wohnung?«
    »Die Wohnung gehört ihm.«
    »Jetzt erinnern Sie sich bitte an den Montag vor zehn Tagen. Wo war Herr

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