Duerers Haende
er ist Kramers Mörder?«
»Ich meine gar nichts. Aber wenn ich jemanden zu uns einbestelle, hat der pünktlich zu erscheinen. Aus, basta.«
»Also, dann sag ich der Eva das jetzt?«
»Das war doch jetzt hoffentlich eine Feststellung von dir und keine Frage?«
»Sei doch nicht immer so kratzbürstig, Paula. Manchmal hast du schon eine Art, dass man …«
»So, was für eine Art habe ich denn?«, fiel sie ihm gereizt ins Wort.
»Eine Art, dass man manchmal seine Zeit lieber im Krankenhaus verbringt als mit dir zusammen am Arbeitsplatz«, sagte Bartels so vorschnell wie aufrichtig.
Jetzt war es heraus und durch nichts mehr rückgängig zu machen. Das, wovor sich beide die vergangenen Tage erfolgreich gedrückt hatten. Obwohl sie es geahnt hatte, war sie von seiner Offenheit doch überrascht – und zutiefst verletzt. Sie merkte, wie ihr die Tränen hochstiegen. Angestrengt sah sie aus dem Fenster der Beifahrertür und sagte leise: »Fahr mal rechts ran. Wir müssen reden.«
Bei dem Hochhaus am Wöhrder See bog er ab und stellte den Wagen auf dem großen Parkplatz ab. Sie stieg aus und ging über die Wiese hinunter ans Ufer. Heinrich folgte ihr. Sie sagte nichts, sie starrte nur auf den weiten See.
»Manchmal«, hörte sie Heinrich hinter sich, »habe ich gesagt, manchmal hast du eine Art zum Davonlaufen. Manchmal bist du aber auch die nachsichtigste, herzlichste, liebenswürdigste Chefin, die man sich nur wünschen kann.«
Da endlich lösten sich die zwei Tränen, die in den Unterlidern in der Poleposition standen, und liefen ihr über die Wangen hinab.
»Und nur wegen dieser Paula Nummer zwei bin ich auch zurückgekommen. Nicht wegen deiner Drohung, mich in die Pressestelle versetzen zu lassen. Wo sie angeblich immer Leute suchen, wo sie tatsächlich aber im Moment so gar keinen Bedarf an neuen Mitarbeitern haben, dass sie schon den Nierlinger wieder ins Dezernat 4 zurückbeordert haben.« Sie hörte, wie er, der noch immer hinter ihr stand, bei diesem letzten Satz schmunzelte.
Als sie sich wieder im Griff hatte, drehte sie sich zu ihm um und sagte: »Du täuschst dich. In der Pressestelle brauchen sie immer jemanden. Das ist wahr und richtig. So wahr wie das Burnout-Syndrom und so richtig wie die schlimmen inneren Verletzungen eines gewissen Heinrich Bartels, der im Übrigen nicht nur hochintelligent und phantasiebegabt ist, sondern auch mein liebster Kollege.«
Statt einer Antwort fragte Heinrich nur: »Haben wir jetzt ausgeredet?«
»Ich finde, schon. Oder hast du mir noch was zu sagen, was ich wissen sollte?«
»Im Augenblick nicht.«
Sie war erleichtert. Und nahm sich vor, künftig mehr auf die Gefühle ihrer beiden Mitarbeiter, des alten wie der neuen, zu achten. Denn im Grunde wusste sie, dass Heinrich recht hatte.
»Was würdest du denn an meiner Stelle machen, den Frey ausschreiben oder nicht?«
»Heute noch nicht. Wenn er morgen nicht da ist, lassen wir ihn suchen. Das würde ich«, die Betonung lag ganz auf dem Pronomen, »an deiner Stelle machen.«
»Gut, dann würde ich das auch so machen.«
Die restliche Fahrstrecke herrschte ein Einvernehmen zwischen Fahrer und Beifahrerin, das keine Worte brauchte. Es war still im BMW. So still wie nach einem lange erwarteten Gewitter, das sich endlich mit aller Kraft entladen und dabei sämtlichen Schmutz und Dreck in der Luft mit sich gerissen hat.
9
Als sie wenig später ihr Büro betrat, klingelte gerade ihr Telefon. Eva Brunner nahm ab und reichte dann den Hörer an sie weiter.
»Hier Blahotova Susanka. Sie hatten doch gesagt, ich darf mich bei Ihnen melden.«
»Ja, natürlich, gerne sogar. Was ist Ihnen denn in der Zwischenzeit eingefallen?«
»Mir ist nichts eingefallen, aber aufgefallen ist mir«, antwortete die Tschechin ungewohnt schnell und mit vorwurfsvollem Ton, »dass jemand meine Schlüssel gestohlen hat.«
»Welche Schlüssel?«, fragte sie verwundert nach.
»Die Autoschlüssel für den Audi.«
»Ach so, die. Die sind nicht gestohlen, die Schlüssel für den Audi hat die Polizei sichergestellt. Wo sind Sie denn jetzt?«
»Oben in Karstens Büro. Aber der Audi steht doch unten in der Tiefgarage. Wann kriege ich die Schlüssel wieder?«
»Vorerst nicht. Genauso wenig wie den Wagen selbst. Der bleibt so lange in Verwahrsam, bis der Fall abgeschlossen ist.«
»Wie lange wird das dauern?«
»Sehr, sehr lange. Wochen, vielleicht Monate. Brauchen Sie denn momentan das Auto so dringend? Haben Sie keinen eigenen Wagen?«
»Doch,
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