Duerers Haende
der Früh bis abends um halb zwölf. Als er Shengali vor dem Wasserwerk deponiert hat, war der Wagenheber längst wieder an Ort und Stelle, davon bin ich überzeugt. Und dann, denk doch mal nach: Wer von Hersbruck nach Nürnberg über die Bundesstraße fährt, kommt automatisch bei Erlenstegen raus und damit am Wasserwerk vorbei. Jawohl, das ergibt einen Sinn. Den Wagenheber muss er sich schon vorher aus der Scheune, aus seinem Alfa geholt haben.«
Ihre beiden Mitarbeiter nickten zustimmend. Sie deutete das als Aufforderung, ins fiktive Detail zu gehen. »Kramer hat Shengali um acht Uhr in der Früh auf dieser Kindinger Parkbucht den Schlag versetzt, ihn dann in den geliehenen Crossfire gepackt und ist los. Zweieinhalb Stunden später stirbt Shengali, erliegt seiner schweren Verletzung. Das heißt: Kramer bleibt jede Menge Zeit, bis er sein Opfer – am besten im Schutz der Dunkelheit – wieder loswerden kann. Das passiert abends um halb zwölf, das wissen wir von diesem Rentner, den Frau Brunner befragt hat. Irgendwann im Laufe dieses Montags, in dieser Zeitspanne von acht Uhr früh bis fast Mitternacht, fährt Kramer in dieses Dorf bei Hersbruck, legt den Wagenheber wieder in den Spider, fährt zurück nach Nürnberg und entsorgt Shengali dort gleich am Ortseingang, nämlich vor dem Wasserwerk. Ja, und dann musste er sich nur noch um den Crossfire kümmern. Er hat sicher erst selbst versucht, die Spuren zu beseitigen, schließlich aber erkannt, dass das nicht ausreicht und den Wagen in die Autowaschanlage gebracht. Es gibt ja jetzt solche Speziaireinigungen, da wird auch der ganze Innenraum mit allem möglichen Pipapo von Grund auf sauber gemacht. Ich kenne mich da nicht so aus …«
»Aber ich«, unterbrach sie Eva Brunner. »Ich habe mich schon erkundigt. In Zabo zum Beispiel gibt es so eine Art Autowaschsalon, die haben ein Extrahiergerät für die Innenraumnassreinigung. Damit kriegt man neunundneunzig Prozent aller lösbaren Flecken aus den Polstern und Teppichen heraus. Neunundneunzig Prozent!«
»Aha, gut recherchiert«, bemerkte Paula Steiner anerkennend. »Kramer hat sich darauf verlassen, dass das, also die neunundneunzig Prozent, ausreicht. Eine Woche später, am Montagvormittag, wollte er den Wagen an Frey zurückbringen, aber da sind wir, Heinrich und ich, ihm in die Quere gekommen. Also hat er den Rückgabetermin verschoben. Auf den späten Nachmittag oder Abend. Genau so war es.«
»Dann besteht ja die Chance«, ergänzte Heinrich, »dass irgendwer in diesem Kaff bei Hersbruck den Kramer in dem Crossfire gesehen hat. Ein auffälliges Auto, zumindest auffälliger als ein schwarzer Audi. Also müssen wir auch da nach möglichen Zeugen suchen. Wer soll das deiner Meinung nach übernehmen?«
Sie deutete lächelnd mit dem Zeigefinger auf ihn. »Immer der, der fragt.«
»Gut, ich mache das. Und auch Kramers Konten schaue ich mir morgen an.«
»Ja, darum wollte ich dich sowieso bitten.« Das war gelogen. Diese Routinearbeit hatte sie bislang schlicht vergessen. Sie war Heinrich und auch Frau Brunner in diesem Moment dankbar, dass sie ihr all die lästigen Pflichtaufgaben so beflissen und entgegenkommend abnahmen. Und dieses kleine, gut eingespielte Team sollte demnächst aufgelöst, die fette Beute des Kollegen Trommen werden …
»Aber mal was anderes, Paula. Willst du unseren grandiosen Ermittlungserfolg nicht nach oben melden? Das würde unserer Kommission beim derzeitigen Stand der Bestrebungslage doch guttun, oder? Wenn wir schon den ersten Fall so gut wie gelöst haben.«
»Natürlich werde ich das nach oben weitergeben. Und wie ich das nach oben geben werde! Das ganze Haus soll noch heute davon erfahren, wie schnell und professionell und überhaupt wir, inklusive Ihnen, Frau Brunner, arbeiten. Aber den Fall haben wir, nur unter uns gesagt, eben leider noch nicht gelöst, Heinrich. Wir haben zwar vielleicht den Täter, aber überhaupt kein Motiv. Und das brauchen wir für Fall zwei ganz dringend.«
»Was ist mit der Gutschein- und Prämiengeschichte? Du hast doch immer gesagt, da ist was zu holen?«
»Nein, da habe ich mich geirrt, das glaub ich nicht mehr. Wie schon gesagt, dafür ist das zu wenig Geld. Außerdem hat keiner von den Freys ein Hehl daraus gemacht. Das ist zwar eine Sauerei, aber eine ganz legale. Die Entner hat das ja bestätigt. Nein, die Sache hat damit zu tun, aber nicht zentral als Auslöser. Eher als Klammer, die beide Fälle zusammenhält. Davon bin ich nach wie vor
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