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Dürre Beweise

Dürre Beweise

Titel: Dürre Beweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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Pfeife?“
    Guttmann machte einen kurzen Anruf, ich legte die Füße hoch, und durch die Tür zum Nebenzimmer kam Kainz herein, der Maulwurf der Abteilung.
    Er trug eine rote Weihnachtsmann-Mütze und ein Glas Schnaps in der Hand, vor Weihnachten ließen sie hier die Zügel schleifen, eine Weihnachtsfeier jagte die andere, heute waren die Geheimdienstler dran, in ein paar Tagen die Mordermittler. Guttmann sagte: „Rock, du kennst doch Kainz.“
    Ich kannte den Spinner, der mir beim letzten Mal mit seiner „Das ist eine politische Sache!“-Fixierung auf den Sack gegangen war, als wir das „Schwert des Ostens“ gesucht hatten.
    Kainz war nicht gerne gekommen, seine Feier schien ihm zu gefallen, aber er hatte mich mit dem Datsun ankommen gesehen, und da war ihm eingefallen, dass mein Kumpel Lemmy vielleicht nicht den besten Weihnachtskuchen der Welt buk, aber sicher das beste Weihnachtsfeiergras zog, und jetzt wollte er einen schönen Weihnachtssack voll davon haben. Ich ließ mich nicht lumpen und legte was Feines auf den Tisch, sagte aber: „Zuerst du!“
    Da fing er an zu erzählen: „Österreich-Ungarn zu Zeiten des Kaisers, Zerfall der Monarchie, hohe Berge hier, flaches Land dort, Knödel gegen Paprika, in der Folge Vierschanzentournee versus Bootsfahrten auf dem flachen Balatonsee. Die Überlegenheit unserer schönen Heimat in allen Bereichen mit Ausnahme von Salami und Paprika, insbesondere aber in den alpinen Sportarten, war so unerträglich für die Paprikafresser da drüben, dass sie noch während des Kalten Krieges ein Programm Ikarus starteten, das unsere heimische Dominanz im Schispringen brechen sollte, aber bis 1985 ging rein gar nichts, die Anatols und Gyulas dieser Welt hüpften wie lahme Hasen hinterher …“
    Ich dachte: Wovon zum Teufel redet der?
    „Bis einer auf die grandiose Idee kam: Bekämpfe die Schwerkraft, wenn du schon nicht fliegen kannst! Der Gewisse entwickelte einen Diätplan, der den Körperfettanteil der Jungs auf nahe 1,5 Prozent reduzierte, sie hatten danach aber auch Ringe unter den Augen und sehr schlechte Leber- und Blutwerte.
    Als es dann mal zum Training nach Zakopane in Polen ging, herrschten Windverhältnisse, die nicht für solche Körper zugelassen waren, aber weil sie die Schanze nur für einen Tag gemietet hatten und sich keinen Tag länger leisten konnten, peitschten sie das Training durch, und dann …“
    Jetzt packte Kainz einen alten Videorekorder aus einem Plastiksack und schloss ihn an. Dann verschwand er und kam wieder mit einem kleinen Fernseher – das alles dauerte ewig, ich fragte Guttmann: „Darf ich rauchen?“ Er sagte: „Rauch doch, was du willst!“
    Ich drehte für uns alle einen schönen Ofen, während Kainz die Kassette in den Player schob, zurückspulte, wieder vorspulte, und bald dachte ich, das überlebt der Kerl nicht.
    Wenn man sich beim ersten Date so umständlich verhält wie er, dann gibt es von der Lady was auf die Nüsse, und zwar zu Recht!
    Dann endlich sah man doch noch etwas auf dem Bildschirm, aber es war einfach nur langweilig wie ein heimischer Kinofilm: Man sah Schispringer beim Sommertraining, 40 Grad plus, grellster Sonnenschein, und ein paar Idioten sprangen in rot-weiß-grünen Schianzügen und auf langen Schiern durch die Luft, ich fragte: „Kommt’s dann endlich? Das, was du uns zeigen willst?“
    Kainz spulte wieder vor, dann sah man plötzlich Rettungsautos herumstehen und Leute aufgeregt durch die Gegend laufen, er schrie: „Das war jetzt wieder zu weit, verdammt!“
    Guttmann schrie: „Dann spul halt wieder zurück, du Idiot!“
    Endlich sah man, wie oben am Anlauf einer hockte, ganz bleich im Gesicht, und kraftlos stieß er sich ab, als würde sich Opa nach einem anstrengenden Schiss vom Klo erheben, ich fragte: „Was soll das alles werden, Kainz?“
    Kainz sagte: „Wart’s ab, gleich kommt’s.“
    Der Kerl fuhr nun die Spur herunter und schaffte es am Schanzentisch gerade noch, irgendwie abzuheben und in die Flugphase überzugehen, aber dann kam der Tod.
    Er verschwand aus dem Bild, als der Windsack waagrecht stand und eine Windböe ihn erfasste, abseits des Auslaufes kam er auf einem Parkplatz zu landen und durchschlug dort unkontrolliert die Windschutzscheibe eines parkenden Autos, das war’s. Den Ton zu den Amateuraufnahmen lieferte das Pfeifen des starken Windes und die Schreie von vielleicht zehn Zuschauern, die sich diesen Scheiß anschauten und die Zeuge wurden, wie der Wind den Kerl verwehte. So

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