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Dürre Beweise

Dürre Beweise

Titel: Dürre Beweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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doch so sehr, wenn die Frauchens von innen her strahlten. Ich verstand nicht, warum die Gesunden alle so krank aussahen, wo sie doch so gesund waren.
    Sie blieb professionell, weil sie ihren Scheiß ja verkaufen musste, bevor er verfaulte: „Meinen Sie jetzt nur Abdeckung des täglichen Vitaminbedarfs, oder geht es um mehr?“
    „Keine Ahnung!“
    „Grundsätzlich ist es nämlich so: Im Winter isst man rot, das wärmt den Körper, und natürlich isst man Suppen.“
    Ich sagte: „Suppen bitte nicht, gibt’s nicht auch eine gesunde Pizza oder so was?“
    „Eine gesunde Pizza wäre eine Contradictio in se.“
    Ich sagte: „Die will ich nicht, ich will lieber eine Cardinale oder eine mit Speck und Mais drauf.“
    Sie erklärte mir, was sie gemeint hatte, und dass man Mais nicht einmal auf so etwas Ekelhaftes wie Pizza draufgeben durfte, denn Mais wäre das Letzte überhaupt.
    Jetzt spätestens war mir klar, dass es mit uns beiden nicht funktionieren würde, und dass Obst und rote Suppen vielleicht überhaupt ein zu großer Schock für Lemmy wären. Ich schob es auf die frühe Dunkelheit im Winter, die mir den klaren Blick auf die Dinge genommen hatte, und um den Blick wieder zu schärfen, zog ich ein Tütchen Gras heraus und fragte: „Könnten Sie das vielleicht in Ihr Sortiment aufnehmen?“
    Sie fragte: „Ist das das, was ich glaube, dass es ist?“
    Ich sagte: „Ja, aber total bio!“
    Nachdem die Schnappatmung bei ihr eingesetzt hatte, ließ ich sie einfach liegen und nahm einen Sack Zwiebeln mit, mit Zwiebeln konnte man nichts falsch machen, wie ich fand, da konnte Lemmy wenigstens die Zwiebelschalen rauchen, wenn er schon nicht die Zwiebeln essen wollte.

***
    Als ich mit dem Sack dann zu Lemmy hinunterhüpfte, lag er wie tot auf seiner Stahlfeder, die früher mal seine Couch gewesen war, und Ku saß schon wieder bei ihm wie eine Sterbebegleiterin und streichelte ihm das Ohrläppchen. Lemmy hatte einen Daumen im Mund stecken und lutschte daran, dabei starrte er in die Ecke bei der Tür, die nach hinten zu seinen Plantagen führte, dort sah er scheinbar etwas, das ich nicht sah. Ich fragte Ku: „Was ist denn mit ihm?“
    Ku sagte: „Er ist total regressiv, siehst du das nicht? Er arbeitet Traumata seiner Kindheit auf und möchte wieder ein Baby sein, das gibt ihm das Gefühl von Geborgenheit und Liebe.“
    Mir fiel jetzt wieder ein, dass ich noch nie offen mit Lemmy darüber geredet hatte, wie wir das machen sollten, falls einer von uns beiden mal auf die Hilfe des anderen angewiesen sein sollte, und ob er mich überhaupt als Alleinerben einsetzen würde, falls es ihn beim nächsten Wichsversuch umhauen würde, was nicht auszuschließen war. Aber er wollte ja nie mit mir darüber reden.
    Ich stellte den Sack Zwiebeln neben seine Couch und zog ihm den Daumen heraus, der war schon ganz wund. Ku war dagegen, weil ihn das zurückwerfen würde in sein Trauma, wie er sagte, aber als er ihm den Daumen zurückstecken wollte, sagte Lemmy plötzlich: „Hast du den Baum?“
    Und Ku sagte: „Ja, hast du den Baum? Das würde ihm jetzt echt helfen!“
    Verdammt, der Baum!
    Irgendwo im Hinterstübchen hatte Lemmy immer noch eine genaue Vorstellung von Weihnachten, das so sein sollte wie damals, als er noch ein Kind gewesen war. Leider wusste er nicht mehr genau, wie es gewesen war, nur dass ein Baum dabei sein musste, darauf bestand er. Anders als er selbst, der ja dürr war wie ein verdorrter Ast, sollte der Baum üppig und dicht benadelt sein – aber nicht zu sehr! Er sollte groß sein – aber nicht zu groß! Und er sollte gerade sein, und zwar sehr gerade, da duldete Lemmy keine Abweichungen, mit seinem geschulten Auge prüfte er den Baum wie eine frische Ladung Kokain aus Kolumbien, und wenn der Baum nicht so gerade war, wie er ihn sich vorstellte, dann schickte er mich auch mal wieder zurück zu den Waldviertler Bauern um einen anderen.
    Ich sagte: „Tut mir leid, Schatz, ich hab ihn noch nicht, aber ich besorge ihn dir so bald wie möglich, versprochen.“
    Auch ganz ohne Zwiebel in den Augen begann Lemmy jetzt zu weinen, und ich wusste natürlich sofort, was er uns jetzt für eine Show abziehen würde, nämlich die gleiche wie jedes Jahr, er schluchzte: „Wenigstens von einem meiner Kinder möchte ich wissen, wo es Weihnachten verbringt.“
    Worauf der Mensch halt Wert legt, wenn er immer älter und überflüssiger und so wie Lemmy mit der Zeit auch immer dünner wird und Gefahr läuft, bald überhaupt zu

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